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SPD: Trump behandelt EU als Gegner, nicht als Partner

Niels Annen (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, sieht die Krise in den transatlantischen Beziehungen in einer neuen Qualität. Er wirft US-Präsident Trump „unfreundliche Akte“ gegen die EU vor. Deutsche Autos als Bedrohung der Sicherheit zu werten, sei „ein schlechter Scherz“. Annen befürwortet Gegenreaktionen.
von Lars Haferkamp · 19. Februar 2019
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Niels Annen, die 55. Münchner Sicherheitskonferenz ist zu Ende gegangen. Viele Beobachter haben Eindruck, noch nie nach dem Zweiten Weltkrieg gab es so tiefe Gräben zwischen Europa und den USA. Trifft diese Einschätzung zu?

Die letzten Tage standen mit der Münchner Sicherheitskonferenz, dem Treffen der Nato Verteidigungsminister oder der Nahost-Konferenz in Warschau ganz im Zeichen der transatlantischen Beziehungen. Doch anstatt die Gemeinsamkeiten zwischen Europa und den USA bei wichtigen außenpolitischen Themen wie Iran oder China zu betonen, kann man sich mitunter des Eindrucks nicht erwehren, dass Präsident Trump in der EU eher einen Gegner und weniger einen Partner sieht. Das ist bedauerlich und stellt eine neue Qualität dar. Wir dürfen nicht vergessen: Auch in der Vergangenheit gab es immer größere Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und Deutschland: z.B. beim „Nein" Gerhard Schröders zum zweiten Irakkrieg. Doch diese Meinungsverschiedenheiten haben den Kern unserer Beziehungen niemals in Frage gestellt.

Umfragen zeigen, die Mehrheit der Deutschen sieht die USA nicht als Verbündeten sondern als Bedrohung. Welche Folgen hat das für das deutsch-amerikanische Verhältnis?

Für uns sind die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von fundamentaler Bedeutung. Und zwar unabhängig davon, wer gerade im Weißen Haus residiert. Das Schlechtreden der Europäischen Union oder auch protokollarische Herabstufung des EU-Botschafters durch die US-Administration sind unfreundliche Akte. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen regelmäßigen, direkten Kontakt auf Regierungsebene der- trotz mancher Tweets - von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Bei allen Meinungsverschiedenheiten arbeiten wir auf vielen Feldern eng und erfolgreich zusammen. Das liegt nicht zuletzt an den sehr engen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen unserer beiden Länder.

Die Regierung Trump erklärt in den USA produzierte deutsche Autos zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit. Was haben Sie gedacht, als Sie das zum ersten Mal gehört haben?

Diese Einschätzung klingt für mich wie ein schlechter Scherz. Die Gefahr der Einführung von Sonderzöllen in Höhe von bis 25% auf europäische Autos sind aber leider real. Noch wissen wir nicht genau, ob sie auch in Kraft treten. Der US-Präsident hat 90 Tage Zeit, um darüber zu entscheiden. Eines sollte auch ihm klar sein. Wenn die Zölle kommen, dann werden nicht nur in Deutschland, sondern auch in strukturschwachen Regionen der USA Arbeitsplätze verloren gehen. Das kann weder in unserem Interesse, noch im Interesse des US-Präsidenten sein.

Angela Merkel hat in München erklärt, sie sei über den drohenden US-Handelskrieg gegen Deutschland „erschrocken". Wird diese Wortwahl Trump beeindrucken, seinen Kurs zu korrigieren oder nicht eher bestätigen, mit seiner Politik unverhüllter Drohungen fortzufahren?

Nein, das glaube ich nicht. Präsident Trump glaubt mit maximalem Druck die vermeintlich besten Verhandlungsergebnisse erzielen zu können. Dabei hat er in der Vergangenheit keinerlei Rücksicht auf die Interessen und Befindlichkeiten seiner langjährigen Partner genommen. Japan ist ein gutes Beispiel dafür. Dem „America first“ müssen wir ein „Europe united“ entgegensetzen.

Wie sollten Deutschland und Europa reagieren, wenn Trump seine Drohung mit Strafzöllen auf deutsche und europäische Autos wahrmacht? Sich „erschrocken" zu zeigen, kann ja nicht die einzige Reaktion sein, oder?

Für den Fall, dass die USA Sonderzölle einführen, hat die Europäische Kommission bereits Gegenreaktionen angekündigt. Das ist richtig. Wenn Europa mit einer Stimme spricht, verhandeln wir mit der größten Volkswirtschaft der Welt auf Augenhöhe. Ganz grundsätzlich sollten wir aber kein Interesse an der Verschärfung des Handelskonfliktes haben. Das Wirtschaftswachstum hat sich bereits weltweit abgeschwächt.

Die Europäer hatten lange gehofft, Trump könne durch seine Regierung und die Republikaner gemäßigt werden, was seine Angriffe auf Deutschland angeht. Diese Hoffnung scheint nicht aufzugehen, die Republikaner folgen Trump, der innerparteiliche Widerspruch wird immer kleiner. Was bedeutet das für die transatlantischen Beziehungen?

Das stimmt so nicht ganz. Durch die Midterm-Wahlen haben sich Machtverhältnisse in den USA verschoben. Präsident Trump muss nun Kompromisse mit den Demokraten suchen. Und auch bei den Republikanern regen sich wieder vermehrt kritische Stimmen: Zum Beispiel bei der Ausrufung des Notstandes oder zur Frage der Zukunft der NATO. Mit der über 50köpfigen US-Delegation aus beiden Häusern des Kongresses haben wir uns genau darüber auf der Münchner Sicherkonferenz unterhalten. Das Ergebnis unserer Diskussion war ein eindeutiges Bekenntnis zur NATO..

Ein weiterer aktueller Konfliktpunkt mit den USA, der sowohl wirtschaftspolitische als auch sicherheitspolitische Relevanz hat, ist die Ostseepipeline Nord Stream 2. Hat Deutschland hier die Widerstände unterschätzt?

Deutschland ist in hohem Maße von Erdgasimporten abhängig, da unsere Eigenproduktion und die der Niederlande sinkt. Nord Stream 2 spielt somit für unsere Versorgungssicherheit eine wichtige Rolle. Die Meinungsverschiedenheiten in Europa gegenüber der Pipeline sind seit langem bekannt. Auch die Vorbehalte der USA sind kein Geheimnis. Gleichwohl bin ich der festen Überzeugung, dass die Ausgestaltung unserer europäischen Energiepolitik die alleinige Angelegenheit der Europäer ist. Auch im Kalten Krieg hat Russland immer zuverlässig Gas geliefert. Daran wird sich meines Erachtens nichts ändern. Wir werden auch in Zukunft sicherstellen, dass die Ukraine Transitland für russisches Erdgas bleibt.

Erwarten Sie in der Pipeline-Frage Sanktionen der USA gegen deutsche bzw. europäische Unternehmen? Und welche Bedeutung hätte das?

Die Demokraten im US-Kongress sind in dieser Frage aus innenpolitischen Gründen sehr scharf. Über die die neue DASKAA-Gesetzgebung (Defending American Security from Kremlin Aggression Act) sind wir sehr besorgt. Unabhängig hiervon würden wir es sehr begrüßen, wenn die USA mit ihrem LNG-Gas unsere Energieimporte diversifizieren würde. Das muss aber zu wirtschaftlichen Preisen und im Wettbewerb mit den anderen Lieferanten geschehen.

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