SPD: Trotz Trumps Ausfällen ist die NATO handlungsfähig
Vorausgesetzt, der NATO-Gipfel endet nicht mit einem Desaster wie beim G-7-Gipfel in Kanada, möchte ich meine Bewertung aus sozialdemokratischer Sicht auf drei konkrete Beschlüsse konzentrieren:
Es ist gut, dass NATO und EU bekräftigen, die bisherige Zusammenarbeit weiter auszubauen. Was der NATO nützt, nützt auch Europas Sicherheit - und umgekehrt. So sieht der aktuelle Finanzrahmen der EU 6,5 Milliarden Euro zum Erhalt von Straßen und Brücken vor, die auch militärisch genutzt werden können. Das neue Logistik-Kommando der NATO in Ulm wird Transporte der Nato-Partner innerhalb Europas koordinieren sowie den Schutz und die Versorgung der Truppen organisieren. So wird ein Schuh draus.
Krim-Annexion „darf niemals anerkannt werden“
Die scharfe Verurteilung der illegalen und illegitimen Annexion der Krim durch Russland auf der Gipfelerklärung wird von uns geteilt. Dieses Verhalten darf niemals anerkannt werden. Die Bereitschaft des Militärbündnisses, weiter an den Dialogformen mit Russland festzuhalten, begrüßen wir; jedes Gesprächsforum ist hilfreich, um auf die Umsetzung des Minsker Abkommens hinzuarbeiten.
Das Festhalten an allen Aspekten des 2014 beim Gipfel in Wales 2014 vereinbarten Versprechens, also auch am so genannten 2-Prozent-Ziel, ist nicht weiter überraschend. Zu den gemeinsamen Anstrengungen der NATO müssen wir einen nachhaltigen Beitrag leisten, der Deutschlands Größe und seiner Wirtschaftskraft entspricht. Dafür wird eine deutliche Aufstockung des Verteidigungshaushalts notwendig bleiben. Unser erklärtes Ziel als SPD ist die einhundertprozentige Vollausstattung der Bundeswehr mit Waffen, Personal und Gerät. Ob das dann am Ende 1,5 Prozent, 1,8 Prozent oder 2 Prozent der Wirtschaftsleistung kostet, ist nicht entscheidend. Langfristig sollte sich die NATO von der Koppelung der Verteidigungsausgaben an die Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten lösen. Wenn ein wirtschaftlich schwaches Land wie Griechenland das 2-Prozent-Ziel erreicht, hilft das der NATO wenig. Welche Fähigkeiten ein Land für das Bündnis einbringt, wäre der bessere Maßstab.
Bundeswehr zur Zeit überfordert
Schwierig wird es bei der von den USA vorgeschlagenen „4x30-Initiative“: Zusätzlich zu den ohnehin vorhandenen Eingreiftruppen soll die Allianz 30 Bataillone, 30 Luftwaffenstaffeln und 30 Kriegsschiffe in einem Bereitschaftsstand von 30 Tagen vorhalten. Nach dem üblichen Verteilungsschlüssel der Allianz müsste allein Deutschland dafür drei Bataillone stellen, schnell einsatzbereit und voll ausgerüstet. Dieses Vorhaben scheint angesichts des heutigen Zustands der Bundeswehr unrealistisch. Die Truppe kann ihre Aufgaben nur mit Mühe bewältigen, neue Einsätze sind nach Erkenntnissen des Verteidigungsministeriums selbst absehbar nicht möglich. Woher sollen für diese Initiative das nötige Geld, die Ausrüstung und vor allem das Personal kommen? Das Ziel an sich ist nicht falsch. Aber wenn es mittelfristig nicht erreichbar ist, droht Deutschlands Ansehen und Einfluss in der NATO weiteren Schaden zu nehmen.
Kritisch bleibt auch die auf dem Gipfel vorgeschlagene NATO-Trainingsmission für die irakischen Streitkräfte. Die SPD hatte schon beim ersten Beschluss des bilateralen Mandats mit dem Irak Bedenken. Angesichts der unklaren Lage nach den Parlamentswahlen in Bagdad und angesichts des iranischen Einflusses dort sehen wir die Mission als extrem heikel an.
Ohne Wenn und Aber: Ja zur Westbindung
Entscheidend ist, dass wir uns ohne Wenn und Aber zur Westbindung, das heißt zur NATO, bekennen, und dass wir tatsächlich an den vereinbarten Aufwüchsen festhalten. Die Finanzmittel sind aber nur die eine Seite. Die andere ist, die Mittel so auszugeben, dass sie auch sinnvoll eingesetzt werden. Eine Verdopplung des Etats hat keinen Sinn, solange die Strukturen dafür nicht vorhanden sind. Deutschland braucht heute keinen Flugzeugträger, sondern eine einsatzfähige, voll ausgestattete Brigade für den NATO-Einsatz bis 2023. Um solche realistischen und vernünftigen Ziele zu erreichen, sind die in der Koalition vereinbarten 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2025 eine gute Grundlage.
ist Sprecher der AG Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion.