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So hilflos ist Europa gegenüber den Rechtspopulisten

In Österreich ist es gerade noch einmal gute gegangen: Haarscharf hat FPÖ-Mann Hofer das Rennen um das Amt des Bundespräsidenten verloren. Bei Parteien, Medien und Bürgern herrscht Hilflosigkeit angesichts des Rechtsrucks in Europa. Dabei wäre gerade jetzt vor allem eines nötig: eine europäische Lösung für ein europäisches Problem.
von · 23. Mai 2016
Kopf-an-Kopf-Rennen um das Bundespräsidentenamt: Alexander van der Bellen (Grüne, li.) und Norbert Hofer (FPÖ, re.)
Kopf-an-Kopf-Rennen um das Bundespräsidentenamt: Alexander van der Bellen (Grüne, li.) und Norbert Hofer (FPÖ, re.)

Die normale Nachrichtenlage an einem Montagmorgen in Deutschland: In Österreich wäre fast ein Rechtspopulist Präsident geworden, in NRW kommt die AfD einer aktuellen Umfrage zu Folge bei der nächsten Landtagswahl auf 12 Prozent der Stimmen. Rechts ist das neue normal.

Was ist los in Österreich?

In vielen Medien erscheinen jetzt Kommentare, Versuche einer Einordnung: Was ist in Österreich los? Und: Was ist in Deutschland los? NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland, Wahlen dort sind wichtig, gelten als kleine Bundestagswahl. Wird die AfD also 2017 auch in den Bundestag einziehen?

Was zu spüren ist, überall, ist Hilflosigkeit. Hilflosigkeit angesichts dieses Rechtsrucks, der sich gerade in Europa beobachten lässt – in Österreich, in Polen, in Frankreich, beispielsweise – und lange dachte man, Deutschland sei fein raus. Rechtsextreme Parteien wie die NPD oder die Republikaner haben es hier nie geschafft, größere Wahlen zu gewinnen, sind nur vereinzelt auf kommunaler und Landes-Ebene vertreten gewesen.

Der Rechtsruck geht an Deutschland nicht mehr vorbei

Doch der Rechtsruck geht auch an Deutschland nicht vorbei, die AfD ist gekommen, um zu bleiben. Das weiß man schon seit längerem, aber jedes neue Wahlergebnis, jede Umfrage, ruft erneut Entsetzen hervor – zumindest bei dem Teil der Bevölkerung, der sich emotional überhaupt noch davon betroffen fühlt. Der sich nicht sowieso von Wahlen, vom politischen Geschehen zurückgezogen hat oder selbst rechts wählt.

Ja, die Hilflosigkeit ist überall zu spüren. Nicht nur bei den Parteien, die immer noch nach dem „richtigen“ Umgang mit der AfD suchen. Sondern auch in den Medien.

Warum tun die Deutschen nichts?

Es sind in den letzten Wochen und Monaten viele wütende Kommentare erschienen: Warum tun die Deutschen nichts? Warum wehrt sich keiner? Deutschland, gerade Deutschland, müsste doch wissen, wohin eine bestimmte Art des – politischen – Denkens führt. Deutschland müsste es besser wissen. Aber – nichts. Hinter der Anklage der Journalisten steckt, wieder, die Hilflosigkeit. In einer Zeit, in der angesehene Medien plötzlich wieder als „Lügenpresse“ gelten, in der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ihnen genüsslich „Manipulation“ vorwirft – da fragen sich Journalisten, wen sie mit ihren Appellen, ihren Analysen und Hintergrundberichten überhaupt noch erreichen.

AfD, FPÖ und Co erreichen die Menschen offensichtlich. Noch haben die anderen Parteien ihnen wenig entgegenzusetzen. Ob Polen, Frankreich oder Österreich: Bisher gibt es aus keinem dieser Länder Beispiele, wie ein souveräner Umgang mit solchen rechtspopulistischen Parteien aussehen könnte. Ganz Europa ist hilflos.

Marine Le Pen auf dem Sprung in den Elysée

Noch können die deutschen Parteien sich auf Länder- und Bundesebene weigern, mit der AfD zu koalieren. Auf europäischer Ebene funktioniert Verweigerung nicht, Deutschland braucht seine Partner – man sieht es gerade am Umgang mit dem Autokraten Recep Tayyip Erdoğan. In Frankreich wird, genau wie in Deutschland, 2017 gewählt. Vielleicht wird dort Marine Le Pen Präsidentin, unmöglich scheint es nicht.

Und dann? Es ist an der Zeit, den Rechtsruck, den Siegeszug des Rechtspopulismus, nicht mehr als deutsches, österreichisches, polnisches, französisches Problem zu begreifen. Sondern als europäisches. Und dafür braucht es europäische Denk- und Lösungsansätze.

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