So hatte sich der 57-jährige Nicolas Sarkozy den Auftakt zum Wahlkampf um die Präsidentschaft nicht vorgestellt: In Umfragen von seinem sozialistischen Herausforderer Francois Hollande hoffnungslos abgeschlagen, die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhe und Aberkennung der Topbonität der Wirtschaft seines Landes durch eine US-Rating-Agentur.
Und trotzdem: Der Präsident tritt zu einer 2. Amtszeit an, aggressiv, dynamisch und hektisch, wie es seinem Naturell entspricht.
Kein schönes ökonomisches Umfeld für ihn: 3 Millionen Erwerbslose, davon ein Drittel Jugendliche unter 25 Jahre. Ein Haushaltsdefizit (2010) von über 100 Milliarden Euro. Eine Staatsverschuldung, die 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht und einen hoch defizitären Außenhandel. Wie ein Feuermann bereist Sarkozy im rasenden Tempo marode Unternehmen und verspricht Hilfe und Erhalt der Arbeitsplätze. Doch sein Blitzengagement schlägt sich in Umfragen nicht nieder: Die letzte Prognose des Forschungsinstituts BVA gibt keinen positiven Ausblick für Sarkozy: 56 Prozent für Hollande, 44 Prozent für ihn in der Stichwahl am 6. Mai. In keiner Umfrage der letzten Monate hat der Chefkonservative geführt.
Abstrafung wegen Wirtschaftslage
Die Franzosen strafen ihn wegen der schlechten Wirtschaftslage ab. "Noch nie in der Geschichte der V. Republik steckte ein Präsident in derartigen Schwierigkeiten!“ sagt Frédéric Derby vom IFOP-Institut. Im eigenen Lager, der Regierungspartei UMP, kommen starke Zweifel über die Wahlchancen ihres Bewerbers auf, der unverdrossen glaubt, mit einer knallharten Kampagne gegen Hollande punkten zu können. Die nächsten zwei bis drei Wochen werden entscheidend sein, ob er einige Punkte zulegen kann. Kommt keine Dynamik in Gang, scheinen die Aussichten für den Amtsinhaber als Sieger im Mai zu triumphieren hoffnungslos.
Für die Wahlkampagne hat sich Sarkozy die Europapolitik vorgenommen. Er stilisiert sich, neben Angela Merkel, als Krisenretter. Er habe, sagt er landauf landab, eine schlimme internationale Finanzkrise verhindert. Würde ein Präsident Francois Hollande seinen eigenen Plan durchsetzen, nämlich die Verträge für eine Fiskal-Union zu ändern, werde ein Konflikt die EU auseinander treiben. Paris und Berlin, argumentiert er, seien der Motor des EU-Zusammenhalts. Er übergeht dabei, dass sich Hollande ebenfalls grundsätzlich zur deutsch-französischen Entente bekannt hat. Zur künftigen Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) schlägt Hollande den massiven Aufkauf von Eurobonds vor. Er betrachtet die Re-Orientierung der EZB nicht als eine isolierte Operation, die Mitglieder der Eurogruppe würden in jeder Phase beteiligt. Appell an Merkel
Sarkozy spricht von einem Zusammenbruch der europäischen Politik, wenn Hollande sein Nachfolger würde. Er möchte die deutsche Kanzlerin auf seinen Wahlkampfkurs einstimmen. Das ist auch der Zweck der Einladung an Merkel, ihm in einer Blitzkampagne von sieben Wochen in Frankreich unter die Arme zu greifen. Dass viele Parteigänger im Regierungslager die deutsche Einmischung missbilligen, übergeht der Elyséepalast, von wo aus Sarkozy seinen Wahlkampf führen wird.
Aber in der französischen Auseinandersetzung kann sich noch viel bewegen. Für die Alternativreformen, die Hollande vorschlägt, müssen zwischen 20 bis 25 Milliarden Euro aufgebracht werden, das räumen die Finanzexperten der Opposition ohne Weiteres ein. Woher aber die Sozialisten die Mittel für eine neue Politik nehmen wollen, ist unklar. Wenn Hollande dazu keine seriöse Kostenrechnung vorlegt, wird die konservative Mehrheit ein leichtes Spiel haben, die Linke als finanzielle Hasardeure zu brandmarken. Nicolas Sarkozy wird alles versuchen, sich als ein in der Welt anerkannten Krisenmanager hinzustellen. Sein Argument, Hollande sei nie Minister gewesen und habe folglich keine Regierungserfahrung, kann den Sozialisten durchaus destabilisieren.
ist Auslandskorrespondent in Frankreich für verschiedene Tageszeitungen und Autor mehrerer politischer Bücher, u. a. „Willy Brandt – ein politisches Porträt“ (1969).