Reform der EU-Entsenderichtlinie: „Endlich tut sich was“
Florian Gaertner/photothek.net
In der Pflege, auf dem Bau, im Transportsektor: Entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden in Europa oft skrupellos ausgebeutet. Das Lohn- und Sozialdumping geht auch auf Kosten der Unternehmen im Zielland, die fair wirtschaften, sowie ihrer Beschäftigten. Die Überarbeitung der Entsenderichtlinie bietet die Chance, das zu ändern. Nachdem sich der Beschäftigungsausschuss im Europaparlament für eine engagierte Überarbeitung ausgesprochen hat, hat nun auch der Rat der Sozialminister einen Standpunkt beschlossen.
Gewerkschaften kritisieren, dass viele ausländische Arbeitnehmer innerhalb der EU von ihren Arbeitgebern ausgebeutet werden. Wie muss man sich das vorstellen?
Es geht um sogenannte entsandte Beschäftigte, die für einen begrenzten Zeitraum in einem anderen europäischen Land etwa auf Baustellen oder in der Pflege arbeiten - rund 400.000 im Jahr 2015 allein in Deutschland. Das Problem: Für Entsandte gelten nicht die gleichen Regeln wie für heimische Arbeitnehmer. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie oft sehr schlecht bezahlt werden oder von jetzt auf gleich gekündigt werden können. Dieses Lohn- und Sozialdumping setzt umgekehrt die Unternehmen und Beschäftigten im Zielland enorm unter Druck.
Die SPD will die Rechte entsandter Arbeitnehmer in der EU stärken – mit einer Reform der europäischen Entsenderichtlinie. Was muss sich ändern?
Wir wollen, dass entsandte Beschäftigte fair behandelt werden und der Dumping-Wettbewerb endet. Deshalb sollen zum Beispiel alle Tarifverträge des Arbeitslands auch für Entsandte gelten. Außerdem sollen Kosten, die bei einer Entsendung anfallen, etwa für Anreise oder Unterkunft, nicht mehr vom Lohn abgezogen werden. Eine Unsitte, mit der bisher selbst geringe Löhne noch weiter gedrückt werden. Künftig soll ab Tag eins gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
Sie setzen sich schon länger für eine Reform der Entsenderichtlinige ein. Warum ist es so schwierig, auf EU-Ebene bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen?
Wir kämpfen in der Tat seit Jahren für diese Reform. Die Liberalen mauern, die Konservativen haben lange gebraucht, um sich zu positionieren. Jetzt endlich tut sich etwas: Der Beschäftigungsausschuss des Europaparlaments hat gerade für die Reform gestimmt. Sofern die Gegner das nicht torpedieren, wollen wir den Trilog mit Rat und EU-Kommission beginnen.
Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Einigung der Minister im Rat zur Entsenderichtlinie?
Der Ministerrat hat einige unserer Verbesserungen aufgegriffen, so zum Beispiel die Gleichbehandlung von entsandten und heimischen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern. Allerdings ist es brandgefährlich, den Transportsektor – wie von einigen Regierungen gefordert – gesondert zu behandeln. Der Beschäftigungsausschuss hat unmissverständlich klargemacht: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Transportsektor bleiben wie bereits in der Vergangenheit durch die Schutzregelungen der Richtlinie abgedeckt. Wir fordern zudem die Ausweitung auf regionale und sektorspezifische Tarifverträge. Der Rat will dagegen, dass nur allgemeinverbindliche Tarifverträge für Entsandte gelten. Wir werden uns im Trilog mit Kommission und Rat dafür stark machen, dass alle Tarifverträge auch für entsandte Beschäftigte gelten, denn nur das bedeutet echte Lohngleichheit.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.