International

Radikale Änderungen

von Anton Maegerle · 9. April 2010
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Die Ungarn treten am Sonntag zum sechsten Mal seit 1990 zur Wahl eines neuen Parlaments an. Die Stimmung im Land ist ausgesprochen schlecht. Mit 12,2 Prozent Arbeitslosigkeit ist der höchste Stand seit 17 Jahren erreicht. Das Mehrparteiensystem wird fast von jedem Zweiten abgelehnt. Prognosen zufolge kann das rechte Lager mit bis zu 80 Prozent der Wählerstimmen rechnen. Prognostiziert werden massive Stimmenzuwächse der nationalkonservativen Fidesz-Partei, der größten Oppositionspartei unter Führung des Ex-Premier Viktor Orban, und der rechtsextremen Partei Jobbik ("Bewegung für ein besseres Ungarn").

Fast 15 Prozent hat die 2003 gegründete Jobbik bei den Wahlen zum Europaparlament 2009 erzielt. Nun kann Jobbik nicht nur mit dem erstmaligen Einzug ins Budapester Parlament rechnen, sondern liegt Meinungsumfragen zufolge bei 20 Prozent. Mit diesem Wahlergebnis würde Jobbik die derzeit regierenden Sozialisten überflügeln und zur zweitstärksten Kraft werden. Bei der Parlamentswahl, so Jobbik, geht es darum, ob Ungarn "eine Nation für die Ungarn" bleibt oder ob es "von anderen" geführt wird.

Fremden- und schwulenfeindlich

Die 2003 von rechtsextremen Universitätsstudenten um die ebenfalls rechtsextreme Partei Miep ("Recht und Leben") gegründete antisemitische Partei Jobbik ist extrem fremden- und Roma-feindlich sowie militant schwulenfeindlich ausgerichtet. Im Juli 2009 verbot der Oberste Gerichtshof Ungarns letztinstanzlich den paramilitärischen Jobbik-Ableger "Ungarische Garde".

Zwischenzeitlich wurde die Schlägertruppe als "Neue Ungarische Garde" wiedergegründet. Die "Neue Ungarische Garde" ruft zum "Aufstand gegen das Juden-Regime" auf und will das "Zigeunerproblem" lösen. In einem Interview mit dem NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" im Mai 2008 hatte Jobbik-Parteichef Gabor Vona, nun zugleich Ministerpräsidentenkandidat seiner Partei, behauptet, dass das "internationale Judentum" die Massenmedien, das Parlament und die Banken kontrolliere.

Kampf um den "ungarischen Boden"

Schlagzeilen lieferte im März der von seinem Amt als Jobbik-Sprecher zurückgetretene Rechtsextremist Andras Kiraly. Zuvor waren kompromittierende Fotos und Videos im Internet aufgetaucht, auf denen der Saubermann beispielsweise Marihuana rauchend, mit Transvestiten und Homosexuellen sowie einer farbigen barbusigen Tänzerin während eines Aufenthaltes in Kanada zu sehen ist.

Auf Platz sechs in der Liste der beliebtesten Politiker in Ungarn findet sich derzeit die EU-Parlamentarierin Krisztina Morvai. Der Wahlspruch der Jobbik-Politikerin, die das Amt des Staatspräsidenten respektive Staatspräsidentin anstrebt, lautet: "Ungarn darf nicht Palästina werden." In einem Interview hatte Morvai erklärt, dass nach dem angeblichen Ausverkauf der Wirtschaft und Industrie durch die Elite an das Ausland, jetzt das Letzte, das Ungarn noch geblieben sei, der ungarische Boden nämlich, gerettet werden müsse.

Kontakte zur FPÖ

EU-Abgeordnete haben im ungarischen Nationalparlament Rederecht. Im Oktober 2009 forderte Morvai in einer Rede im ungarischen Parlament "radikale Änderungen". Diejenigen, die "das Land ausplündern, es in das Schicksal einer Kolonie stoßen, müssen von der Macht vertrieben und zur Verantwortung gezogen werden". Einem ungarischen Juden, der sie kritisierte, antwortete Morvai folgendermaßen: "Ich würde es begrüßen, wenn diejenigen, die sich als 'stolze ungarische Juden' bezeichnen, in ihrer Freizeit mit ihren beschnittenen Schwänzchen herumspielen würden, statt mich zu verunglimpfen."

Kontakte pflegt Jobbik zur Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). So haben Jobbik-Vertreter 2009 den FPÖ-Klub in Wien besucht. Mitte Januar 2010 hielt der außenpolitische Sprecher der FPÖ, Johannes Hübner, bei einer Jobbik-Wahlveranstaltung in Budapest eine Ansprache. FPÖ-Nationalrat Hübner stand für die April-Ausgabe extrem rechten Monatszeitschrift "Zuerst" Rede und Antwort.

Der Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung des " Blick nach Rechts".

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Anton Maegerle

ist freier Journalist.

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