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PvdA vor Wahl in den Niederlanden: „Wir geben den Wählern fünf Versprechen“

Nach dem Bruch der Regierung im Juni wählen die Niederlande am Mittwoch ein neues Parlament. Im Interview sagt die Vorsitzende der sozialdemokratische Partij van de Arbeid (PvdA), Esther-Mirjam Sent, auf welche Themen ihre Partei setzt – und warum sie bald mit einer anderen Partei fusioniert.

von Kai Doering · 28. Oktober 2025
Gemeinsamer Wahlflyer von PvdA und GroenLink mit vielen Porträt, gehalten von einer Hand im grünen Ärmel

Gemeinsam vorwärts: Bei der Parlamentswahl in den Niederlanden treten die PvdA und GroenLinks mit einer gemeinsamen Liste an.

Am Mittwoch wählen die Niederlande ein neues Parlament. Welche Themen bewegen die Wähler*innen am meisten?

Die Themen, die die Menschen in den Niederlanden bewegen, sind sehr unterschiedlich und reichen von den Kosten für die Gesundheitsversorgung über die internationale Sicherheit und den Wohnungsbau bis hin zu Einwanderung. Es steht nicht das eine Thema im Mittelpunkt – anders als bei der letzten Wahl 2023. Vor zwei Jahren war Einwanderung das Hauptthema, aber derzeit scheint es keine zentrale Rolle mehr zu spielen. Insgesamt bewegt die Wahl die Menschen in den Niederlanden nicht so sehr. Es scheint, als ob das Land es langsam satt hat, schon wieder wählen zu müssen. Hinzu kommt, dass das Vertrauen in die Politik ist in den Niederlanden recht gering ist, was zu zusätzlichem Desinteresse am Wahlkampf führt.

Ist das nicht frustrierend, wenn man als Partei seine Mitglieder motivieren will, Wahlkampf zu führen?

Ja, aber es gibt uns auch Hoffnung, dass sich ein Großteil der Wähler noch nicht entschieden hat, wem sie ihre Stimme geben werden. Es gibt uns Hoffnung, dass wir die Debatte am Wahltag bestimmen können. In einer der Fernseh-Debatten der vergangenen Woche haben wir beispielsweise die Frage, wie wir die Gesundheitskosten bezahlbar halten können, stark thematisiert. Im Wahlkampf konzentrieren wir uns auch auf die Lebenshaltungskosten im Allgemeinen und insbesondere auf bezahlbaren Wohnraum.

Esther-
Mirjam
Sent

Wir geben den Wählern fünf Versprechen: für bezahlbaren Wohnraum, für hochwertige Arbeit, Führungsstärke, Nachhaltigkeit und die Schaffung sowie Sicherung von Arbeitsplätzen im Übergang zu einer grünen Wirtschaft.

Auf welche Themen setzt die PvdA ansonsten im Wahlkampf?

Wir geben den Wählern fünf Versprechen: für bezahlbaren Wohnraum, für hochwertige Arbeit, Führungsstärke, Nachhaltigkeit und die Schaffung sowie Sicherung von Arbeitsplätzen im Übergang zu einer grünen Wirtschaft. Und wir wollen mit ausreichenden Verteidigungsausgaben dafür sorgen, dass die Niederlande ein sicheres Land sind. Gleichzeitig dürfen diese Verteidigungsausgaben aber nicht zu Lasten des Sozialstaats gehen und die Schwächsten unserer Gesellschaft belasten. Das unterscheidet uns von anderen Parteien. Unser Leitprinzip bei all dem ist Solidarität. Politik sollte sozial sein, der Übergang in die klimaneutrale Zukunft muss für alle erschwinglich sein, und die Schwächsten müssen in der Lage sein, all diese Veränderungen zu meistern.

Die PvdA arbeitet eng mit der grün-linken Partei „GroenLinks“ zusammen. Bei der Wahl treten beide Parteien mit einer gemeinsamen Liste an. Im kommenden Jahr werden sie zu einer Partei fusionieren. Wie kam es dazu?

Der Grund für die Gründung einer gemeinsamen Partei ist ganz einfach: Wir sehen unsere Partei als Mittel und nicht als Zweck. Unser gemeinsames Ziel ist ein gerechter Übergang in eine klimaneutrale Zukunft, der für alle möglich ist, ein Übergang zu einer grünen Wirtschaft, mit Solidarität als Leitprinzip. PvdA und GroenLinks hatten etwa gleich viele Sitze im Parlament. Wir waren beide in der Opposition, hatten also einen gemeinsamen Gegner. Erleichtert wurde die Zusammenarbeit dadurch, dass GroenLinks eine sozialdemokratische Partei ist, der Nachhaltigkeit wichtig ist. Der Aufstieg des Rechtspopulismus in den Niederlanden war eine Art Katalysator für die Fusion. Vor zwei Jahren haben wir gesehen, dass viele strategische Wähler zu uns gewechselt sind, weil wir der sichere Hafen für diejenigen waren, die sich Sorgen wegen des erstarkenden Rechtspopulismus machten. Das hat uns zusätzliche Energie für diesen Schritt gegeben.

Esther-
Mirjam
Sent

Unser Fokus wird darauf liegen, möglichst schnell zu einer Koalition zu kommen, denn das Land braucht sie.

2023 wurden die Rechtspopulist*innen um Geert Wilders erstmals stärkste Partei in den Niederlanden. Lässt sich das diesmal verhindern?

Ich hoffe es sehr. Vor zwei Jahren ist das Kabinett des liberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte auch am Thema Einwanderung gescheitert. Die Rechtspopulisten sind für ihre einwanderungsfeindlichen Argumente bekannt. Sie schieben die Schuld auf Einwanderer: Wohnungsnot, Probleme bei der Sozialversicherung, steigende Lebenshaltungskosten – für alles werden von ihnen die Einwanderer verantwortlich gemacht. Vor zwei Jahren hatten sie damit leider Erfolg. Dieses Mal habe ich das Gefühl, dass die Debatte weniger hitzig ist und es uns und anderen etablierten Parteien daher leichter fällt, gut argumentierte Argumente in den Vordergrund zu rücken.

Nach der Wahl 2023 dauerte die Regierungsbildung mehr als 250 Tage. Können sich die Niederlande das ein zweites Mal leisten?

Nein. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind enorm, und es ist dringend notwendig, sie zu lösen. Deshalb müssen wir schnell handeln. Als die PvdA 2012 das letzte Mal an der Regierung kam, dauerte die Regierungsbildung nur 54 Tage. Damals waren nur zwei Parteien nötig. Da jetzt mehr Konstellationen möglich sind, wird es schwierig sein, die schnelle Regierungsbildung von 2012 zu wiederholen. Gleichzeitig spüren wir, dass sich das Land nach einer Politik sehnt, die Ergebnisse liefert, nach Lösungen für die großen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Unser Fokus wird daher darauf liegen, möglichst schnell zu einer Koalition zu kommen, denn das Land braucht sie.

Die Gesprächspartnerin

Esther-Mirjam Sent ist seit 2021 Vorsitzende der Partij van de Arbeid (PvdA).

Porträt von Esther-Miram Sent, Vorsitzende der niederländischen PvdA
Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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