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Putins Macht in Syrien und das Dilemma des Westens

Putin ordnet den Teilabzug seiner Truppen aus Syrien an und spricht vom "vernichtenden Schlag gegen jene, die die Russische Föderation bedroht haben". Der Kreml-Chef hat Grund zur Freude, der Westen steckt weiterhin in einem Dilemma.
von Dmitri Stratievski · 13. Dezember 2017
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Am 11. Dezember traf Wladimir Putin zu einem Besuch bei den russischen Soldaten in Syrien ein und kündigte den Teilabzug der russischen Truppen an. Er sprach von einem „vernichtenden Schlag gegen diejenige, die die Russische Föderation bedroht haben. In der Ferne verteidigt ihr eure Heimat!“, so Putins Worte an seine Soldaten. Der Kreml-Chef hat gute Gründe zur Freude. Russland ist gelungen, seinen geopolitischen Einfluss deutlich auszudehnen und im Nahen Osten zum ersten Mal nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Fuß zu fassen.

Syrien als Teil von Putins Wahlkampagne

Aus Sicht der jetzigen russischen Führung seien die ganzen Umwälzungen in der Region ein Ergebnis der langfristigen US-Geheimstrategie. Im Zeichen der schweren Niederlage in der Ukraine fühlte sich Moskau in der Pflicht, sie auszuwetzen und außenpolitisch Muskeln zu zeigen. Putin betrachtet seinen Erfolg als eine beachtliche Revanche auf dem Weg zur Wiederherstellung der Großmacht Russland, Etappensieg im Kampf gegen den Westen und Zäsur für die Hegemonie der Amerikaner.

Aus der Wirtschaftsperspektive schien für den Kreml überlebenswichtig zu sein, Syrien für sich zu gewinnen und den Bau alternativer Pipelines nach Europa zu unterbinden. Nicht zuletzt hat dieser Teilerfolg eine innenpolitische Relevanz. Im März 2018 wird in Russland der neue Präsident gewählt, der wieder Wladimir Putin heißen wird. „Der Schutz russischer Interessen“ entwickelt sich zu einer der zentralen Thesen der Kampagne. Jetzt kann Putin die Friedenstaube spielen und einige seine Soldaten feierlich heimschicken.

Die Fehler des Westens im Nahen Osten

Im Gegensatz zur in Russland verbreiteten Meinung ist Washington nicht omnipotent. Der Westen hat im Nahen Osten einen schweren Fehler begangen. Er hat sich in Syrien verkalkuliert, wichtige Dauerverbündete wie Ägypten verloren und sich im Krieg auf dem syrischen Gebiet passiv verhalten. Im Ergebnis wurden Putin breite Handlungsspielräume gegeben. Auch die militärische Fähigkeit Russlands und die Entschlossenheit seiner Führung, die Gunst der Stunde zu nutzen, wurden in den westlichen Hauptstädten massiv unterschätzt.

Das Bestreben nach Neu-Ordnung in der Region brachte Moskau, Teheran und Ankara zusammen, teilweise auch Bagdad und Kairo, während die anderen Akteure das Geschehen tatenlos beobachteten. Die USA und die EU konnten im Konflikt selbst einen Waffenstillstand nicht erreichen. Auch die Unterstützung für die Assad-Gegner erwies sich als zwiespältig. Gemäßigte Oppositionelle sind in Syrien in der Minderheit. Bekennende Islamisten wollte niemand stärken. Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage, einer Mischung von Zögern und Pragmatismus, schuf Putin neue Fakten.

Bleibt russische Armee in Syrien dauerpräsent?

Putin ordnete den Teilabzug seiner Streitkräfte aus Syrien nicht zum ersten Mal an. Im März 2016 erließ er bereits einen ähnlichen Befehl. In der Praxis rotierte er die Truppen, so dass Moskau und Damaskus im Anschluss daran eine große Offensive starteten und Aleppo eroberten. Sehr wahrscheinlich bleibt die russische Armee in Syrien dauerpräsent. Für die kommenden Monate braucht Putin eine Atempause, um das Wahlverfahren formell durchzuführen.

Mittelfristig wird sich der Kreml um das Weiterbestehen seines Bündnisses mit der Türkei und dem Iran kümmern und eine Brücke nach Saudi-Arabien und Katar schlagen. Demnächst können die russischen Kampfjets in Ägypten erscheinen. Eine derartige Vereinbarung liegt jetzt auf dem Tisch.

Strategisch gesehen, werde die russische Luftwaffe dann in der Lage sein, weite Teile der Region zu beeinflussen und sich gegebenenfalls in den lybischen Konflikt auf Seiten der von Moskau unterstützten Regierung im Osten des Landes einzumischen. Zugleich verfügt Russland nur über bescheidene Ressourcen, nicht ausreichend für die geträumte Rolle eines Global Players. Trotzdem bleibt der Kreml unberechenbar. Im Ganzen steckt hier der Westen im Dilemma: stille Kooperation mit Putin bewährte sich nicht, passive Haltung führt in die Sackgasse, Konfrontation mit Moskau bedeutet unvorhergesehene Risiken.          

Autor*in
Dmitri Stratievski

ist promovierter Historiker, Politologe und Osteuropa-Experte.

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