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Proteste sind Teil einer starken Bürgerbewegung

von Susanne Dohrn · 27. Mai 2010
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vorwärts.de: Wie entwickeln sich die Proteste gegen den Sparkurs der Pasok-Regierung?
Paulina Lampsa: Es gibt Demonstrationen, hauptsächlich zusammen mit Streiks. Allerdings, nach dem tragischen Tod von drei Menschen vor wenigen Wochen - möglicherweise verursacht von Provokateuren - sind Bürger und politische Kräfte sehr bestrebt, die Proteste friedlich und gut organisiert zu halten.

Sind solche Proteste ungewöhnlich?
Griechenland war immer ein Land mit starken sozialen Bewegungen. Deswegen sind die Proteste weder fremd noch ungewöhnlich. In einer Phase, in der starken Sparmaßnahmen getroffen werden, ist es üblich, dass es Reaktionen bei den Gewerkschaften und den Bürgern gibt. Außerdem werden die Proteste auch durch die parlamentarische und außerparlamentarische Linke unterstützt.

Büßen jetzt die kleinen Leute für das, was ihnen die Politik eingebrockt hat?
Ja, und das ist selbstverständlich ungerecht. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die letzte konservative Regierung die griechische Krise hervorgerufen hat. Die war demokratisch von den Bürgern gewählt. Das betonen wir häufiger sowohl bei den National- als auch bei den Europawahlen. Der Ausgang von Wahlen spielt eine große Rolle in unserem Leben. Nun wird auch in Europa allmählich wahrgenommen, was es heißt, von einer konservativen Mehrheit regiert zu werden.

In Deutschland hat man lange gezögert, Griechenland zu helfen. Von einigen Zeitungen wurde regelrecht Stimmung gemacht. "Jetzt holen sich die Griechen die ersten Milliarden", hieß es Anfang Mai z.B. in der Bild-Zeitung. Wie fühlt man sich als Grieche, wenn man so etwas hört?
In Deutschland gibt es leider in der öffentlichen Meinung eine derartige Haltung; dabei hilft es natürlich nicht, was die Medien schreiben und zeigen. Die griechischen Bürger können diese Haltung nicht leicht verstehen, denn sie glauben, dass die Hilfe die an Griechenland gegeben wird - zu der auch Länder beitragen, deren finanzielle Lage nicht so gut aussieht - eine andere Dimension bekommt, wenn man die ganze Situation und ihren breiteren Kontext einschätzt.

Was ist der denn breitere Kontext der Krise?
Als die Finanzkrise begann, haben Giorgos Papandreou und andere führenden Politiker festgestellt, dass es notwendig war Maßnahmen für die Regulierung des globalen Finanzsystems zu treffen. Doch die internationale Gemeinschaft reagierte sehr langsam und Spekulanten nutzten die Gelegenheit, Europa anzugreifen. Griechenland war das erste Ziel. Die Hilfe für Griechenland wurde mit Verzögerung beschlossen und erst, als alle begriffen hatten, dass es sich um ein Problem handelt, dass die Stabilität der Eurozone bedroht. Die SPD hat mehrmals betont, dass wirksamere Maßnahmen notwendig sind, um die Eurozone zu schützen. Die Griechen hoffen, dass immer mehr deutsche Bürger diese Dimension sehen.

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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