Mit Madonnas Hilfe gegen den „brasilianischen Trump“
picture alliance/AP Photo
Vom „Land der Zukunft“, als das Brasilien einst galt, ist inzwischen nicht mehr viel übrig geblieben. Nur die Hoffnung, die Demokratie über die nächsten Präsidentschaftswahlen hinaus zu erhalten. Der größte Hoffnungsträger dafür war Ex-Präsident Lula da Silva, der das Land bereits zwischen 2003 und 2011 regiert hatte.
Lula war der erste Präsident der linksgerichteten PT (Partido dos Trabalhadores). Unter seiner Führung stieg Brasilien zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Schwellenland auf. Millionen Brasilianer kamen durch soziale Hilfsprogramme wie „Fome Zero“, auf Deutsch „Kein Hunger“, aus der extremen Armut. Doch der 72-Jährige wurde im vergangenen Jahr zu einer Haftstrafe wegen Korruption verurteilt. Seit April sitzt er in der südbrasilianischen Millionenstadt Curitiba im Gefängnis.
Ex-Bürgermeister von São Paulo tritt für die PT an
Obwohl das Berufungsverfahren noch läuft und der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen dagegen protestierte, wurde Lula nicht zur Wahl zugelassen. Daraufhin zog er am 11. September offiziell seine Kandidatur zurück. Anstelle des Ex-Präsidenten soll es nun ein Ex-Bürgermeister für die PT richten: Fernando Haddad, der von 2013 bis 2017 die Metropole São Paulo regierte. Zuvor war er auf nationaler Ebene Bildungsminister unter Lula und dessen Nachfolgerin Dilma Rousseff.
Der 55-Jährige tritt mit einem Wahlbündnis aus vier Parteien an, darunter die Kommunistische Partei PCdoB. Dieser gehört auch die 37-jährige Vizepräsidentschaftskandidatin Manuela d'Ávila an. Haddad werden in Umfragen gute Chancen eingeräumt, den Wettstreit um das Präsidentenamt für sich zu entscheiden. Allerdings erst in der Stichwahl. Denn die höchsten Zustimmungsraten erhält wenige Tage vor der Wahl der Rechtspopulist Jair Bolsonaro, der von vielen Medien als „brasilianischer Trump“ bezeichnet wird.
Massenproteste gegen Rechtspopulist Bolsonaro
Mit seinem Auftreten hat der Kongressabgeordnete für große Empörung gesorgt. Immer wieder fiel der frühere Armeeoffizier aus Campinas im Bundesstaat São Paulo durch rassistische, sexistische oder homophobe Äußerungen auf. So bezeichnete er beispielsweise einmal eine Abgeordnete als zu hässlich, um vergewaltigt zu werden.
In der vergangenen Woche gingen in 30 brasilianischen Städten hunderttausende Menschen gegen Bolsonaros Ansichten auf die Straße. In sozialen Netzwerken formulierten sie ihren Protest unter dem Hashtag #Elenao, was so viel bedeutet wie „Er nicht“. Auch internationale Größen wie Popstar Madonna beteiligten sich daran. Dennoch schadeten die Demonstrationen Bolsonaros Popularität nicht.
Unzufriedenheit mit der Demokratie war nie größer
Der neuesten Ibope-Erhebung vom Montag zufolge kommt Bolsonaro auf 31 Prozent. Haddad folgt deutlich dahinter mit 21 Prozent. In der Stichwahl am 28. Oktober könnten sich die beiden ein knappes Rennen liefern. Weiteren Kandidaten wie dem wirtschaftsfreundlichen Geraldo Alckmin, der bereits 2006 gegen Lula kandidiert hatte, und der früheren Umweltministerin Marina Silva werden nur geringe Chancen eingeräumt.
Rechtspopulist Bolsonaro trat zuletzt kaum noch öffentlich in Erscheinung, nachdem er bei einer Messerattacke schwer verletzt worden war. Er verkündete jedoch in einem TV-Interview, dass er nur einen Wahlsieg akzeptieren werde. Der Ausgang der Wahl ist ohnehin kaum kalkulierbar. Seit dem Ende der Militärdiktatur 1985 war die Unzufriedenheit mit der Demokratie im Land nie größer.
97 Prozent der Brasilianer glauben nach den Daten des jüngsten Latinobarometro, dass das Land von einigen wenigen zu deren Vorteil regiert werde. Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag drohen bis zu 20 Prozent ungültige Stimmen oder Enthaltungen. Denn nicht zur Wahl zu gehen ist aufgrund der gesetzlichen Wahlpflicht keine Alternative.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo