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Militärs als bessere Demokraten?

von Die Redaktion · 16. März 2010
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Der nigrische Präsident Mamadou Tandja hatte im August vergangenen Jahres die Verfassung ändern lassen, um sich eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Zudem beendete er das einst semi-präsidiale System mit einem Premierminister und einem Präsidenten an der Spitze und übertrug alle Exekutivbefugnisse auf das Präsidentenamt.

In einem umstrittenen Referendum ließ er seinen Verfassungsentwurf von der Bevölkerung abnicken. Als ihm das Oberste Verfassungsgericht, die Nationale Wahlkommission und das Parlament jedoch einen Strich durch die Rechnung machten und sein Vorgehen als verfassungswidrig ablehnten - löste er sie auf und regierte seitdem per Notstandsdekret.

"Tandja dachte, er sei jetzt für immer im Amt, der Staat gehöre ihm," sagt Ali Beidi, ehemaliger Berater des Premierministers und Exil-Nigrer, "es war abzusehen, dass er nur durch Gewalt von der Macht entfernt werden konnte."

Opposition, Nicht-Regierungsorganisationen und Gewerkschaften als auch die internationale Gemeinschaft waren entsetzt. Die Vermittlungsbemühungen der Westafrikanischen Staatengemeinschaft (ECOWAS) zwischen Regierung und Opposition blieben ohne Erfolg, Niger wurde aus der Organisation ausgeschlossen.

Am 18. Februar stürmte das Militär während einer Kabinettssitzung Tandjas den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Niamey. Im ganzen Land wurde eine Ausgangssperre verhängt, die Grenzen zu den Nachbarstaaten abgeriegelt. Vereinzelt fielen Schüsse, auch soll es zu Explosionen gekommen sein. Mindestens drei Menschen sollen ums Leben gekommen sein. Der alte Präsident wurde festgenommen, seine umstrittene Verfassung außer Kraft gesetzt.

Militärputsch als Chance?
Kommandant Salou Djibo ernannte sich zum neuen Staatschef, seine Militärjunta mit dem Namen "Oberster Rat für die Wiederherstellung der Demokratie" erklärte, "den Niger zu einem Musterland für Demokratie und gute Regierungsführung machen und die Bevölkerung von Armut, Enttäuschung und Korruption befreien zu wollen." Tandjas Vorgehen wurde als Rechtfertigung für den gewaltsamen Regierungsumsturz angeführt. Mahamadou Danda, ein ehemaliger Minister, wurde zum Regierungschef ernannt.

Die Bevölkerung in der Hauptstadt Niamey reagierte begeistert über dem Sturz. Tausende Menschen versammelten sich auf den Straßen. Denn viele sahen die Verfassungsänderungen Tandjas als Verfassungsbruch an, nicht den Putsch. Die internationale Gemeinschaft reagierte verhalten. Einerseits verurteilte sie den Militärputsch und rief alle Beteiligten auf, die Gewalt umgehend einzustellen. Andererseits wertete sie den Putsch auch als Chance auf einen Neuanfang.

Vertreter der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und der Westafrikanischen Staatengemeinschaft führten alsbald Gespräche mit der neuen Junta, um sie zu einer Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung zu drängen. "Die Mitglieder der Junta haben ihr Bemühen um die Organisation von Neuwahlen und eine neue Verfassung bekräftigt," sagte Martin Nesirky, Sprecher des UN-Generalsekretärs.

Niger gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Auf dem Index für menschliche Entwicklung rangiert es auf dem fünftletzten Platz. Der am Südrand der Sahara gelegene Wüstenstaat leidet unter Armut, Hungersnöten und Dürre. Derzeit hängt er am Tropf eines Kreditprogrammes des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Entwicklungshilfe der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, die jedoch eingefroren werden könnten.

Uranvorkommen und Rückzugsgebiet der Al-Qaida
Die Militärjunta hat eine mehrheitlich aus Zivilisten bestehende Übergangsregierung eingesetzt und die Erarbeitung eines neuen Verfassungsentwurfes und Neuwahlen angekündigt. Das neue Kabinett besteht zum großen Teil aus unbekannten Ministern, die weder durch vorherige Regierungstätigkeiten noch durch die Teilhabe an dem Putsch vorbelastet sind. "Es fällt schwer, die vielen neuen Gesichter einzuschätzen, eine Prognose zu wagen oder sie zu beurteilen," sagt Issoufou Sidie von der größten Gewerkschaft Nigers. Die neue Verfassung soll wieder nur zwei Amtszeiten für einen Präsidenten vorsehen und der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden. Zudem verspricht die Junta, bei den Wahlen nicht selber antreten zu wollen. Auch den Mitgliedern der Übergangsregierung wurde eine Kandidatur untersagt. Allerdings liegt noch kein Zeitplan vor.

Der Niger ist auch deshalb für die Welt von Bedeutung, weil er über reiche Uranvorkommen verfügt, an deren Ausbeutung vor allem französische und chinesische Firmen beteiligt sind. In den kommenden Jahren plant das Land, zum zweitgrößten Uranproduzenten der Welt aufzusteigen. Zudem gehört die Zentrale Sahara zu den Rückzugsgebieten der Al-Qaida des Maghreb, in der Region um die Wüstenstadt Agadez kommt es immer wieder zu Touareg-Rebellionen. Stabilität in der Hauptstadt Niamey spielt also für den Niger und die gesamte Region eine wichtige Rolle. Bereits 1999 hatte das Militär eine gewählte Regierung gestürzt, die Macht jedoch allmählich wieder an Zivilisten abgegeben und das System demokratischen Regeln unterworfen.

"Ich habe einen guten Eindruck von der Übergangsregierung," sagt Marou Amadou, Sprecher einer großen Nichtregierungsorganisation, "sie wird das Land bald wieder zur Demokratie zurückführen und die Nigrer miteinander versöhnen." Alle Kräfte innerhalb und außerhalb des Niger müssen die Junta jedoch aktiv daran hindern, zuviel Gefallen an der Macht zu finden und ihre Versprechen einzuhalten.

In den vergangenen 18 Monaten haben sich in Westafrika drei Putsche ereignet. Die Junta, die Weihnachten die Macht im benachbarten Guinea übernommen hat, erklärte nun für den 27. Juni endlich ein Datum für Präsidentschaftswahlen. Ein halbes Jahr später als bei Machtübernahme angekündigt. In Mauretanien, wo im August 2008 geputscht wurde, hat sich der Präsident bereits demokratisch bestätigen lassen.


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