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Michael Roth: "Die Atmosphäre ist zunehmend vergiftet"

Bei der Verteilung von Flüchtlingen braucht die EU dringend eine pragmatische Lösung, meint der deutsche Staatsminister für Europa. Drei Fragen an Michael Roth.
von Johanna Schmeller · 29. Juni 2018
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Michael Roth, Sie rechnen nicht mit einem großen Durchbruch im Asylstreit beim bevorstehenden Asylgipfel. Was macht die Entscheidungsprozesse denn so kompliziert?

In einer Union mit 28 Partnern ist der Weg zu einer Entscheidung ja fast immer lang, kompliziert und beschwerlich. Sorgen macht mir die zunehmend vergiftete Atmosphäre. Es geht einigen nicht mehr um die Sache, sondern um pure Ideologie. Das ist Wasser auf den Mühlen der Nationalisten und Populisten.

Welche Fortschritte sehen Sie in der Vergangenheit?

Wir sollten die Fortschritte der vergangenen Jahre nicht klein reden. Die Zahl der Menschen, die sich derzeit auf den gefährlichen und beschwerlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa machen, ist im Vergleich zu 2015 um mehr als 95 Prozent gesunken. Wir kümmern uns viel stärker darum, die Lebensbedingungen in den Herkunfts- und Transitländern zu verbessern. Wir sorgen mit der EU-Türkei-Vereinbarung unter anderem dafür, dass Geflüchtete in der Türkei besser versorgt und integriert werden. Und wir kümmern uns nicht zuletzt um die Ausbildung der libyschen Küstenwache, damit sie endlich ihrer Pflicht nachkommen kann: in Seenot geratene Menschen bei strikter Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu retten. Eines haben wir bislang aber nicht erreichen können: eine faire Verteilung von Flüchtlingen. Hier ist eine pragmatische Lösung unabdingbar.

Wie geht es jetzt weiter, was wird jetzt gebraucht, um inhaltlich weiter zu kommen?

Es ist völlig verantwortungslos, dass eine Regionalpartei aus Angst vor einer Wahlniederlage ganz Deutschland und Europa in Geiselhaft nimmt. Alle müssen endlich begreifen, dass die Bewährungsproben von Flucht und Migration nicht durch Methoden der Kleinstaaterei, durch nationale Alleingänge überwunden werden können. Wir brauchen europäische Lösungen, wir brauchen europäische Solidarität. Anders wird es nicht gehen. Ich hoffe, dass der Europäische Rat ein deutliches Signal in diese Richtung gibt.

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