Präsident Robert Mugabe (ZANU-PF) einerseits und die beiden Oppositionsführer Morgan Tsvangirai (MDC) und Arthur Mutambara (MDC-M) andererseits konnten sichAnfang der Woche nicht über eine
Teilung der Macht einigen. Stattdessen kündigte Mugabes Partei unilateral die Eröffnung des Parlamentes für kommenden Montag an. Dieser Schritt stellt einen klaren Bruch der vereinbarten
Verhandlungsprinzipen dar. Sucht Präsident Mugabe seine Verhandlungspartner nur weiter unter Druck zu setzen? Oder erhofft er sich tatsächlich, einseitig eine eigene Regierung für die kommenden
vier Jahre durchzusetzen? Bleibt es in Simbabwe bei Unterdrückung, Wirtschaftschaos und Isolation?
Simbabwe liegt am Boden. Der Gouverneur der simbabwischen Zentralbank, Gideon Gono, verkündete letzte Woche den "sozio-ökonomischen Notstand" und fror alle Preise und Einkommen ein. Doch
auch nach der neuen Währungsreform, bei der auf den Banknoten zehn Nullen gestrichen wurden, müssen weiterhin zehn Milliarden Zimbabwe-Dollar für einen US-Dollar gezahlt werden. Auch in der
Hauptstadt Harare sind Rekordinflation, Armut und Hunger nun allgegenwärtig. Überall wurden Gutschein- oder Zweitwährungen eingeführt. Mehr als 80 Prozent der Simbabwer leben in Arbeitslosigkeit,
mehr als die Hälfte in Armut. Und weil die letzte Ernte katastrophal verlief droht nun eine Hungersnot. Täglich verdoppeln sich die Preise für Benzin und Nahrungsmittel, Millionen sind ins
Ausland geflohen.
Simbabwe: Gewalt und Unterdrückung
Seit sich Präsident Robert Mugabe (ZANU-PF) im Jahr 2000 wegen einer Landreform harscher Kritik aussetzte, regiert er mit Gewalt und Unterdrückung. Seine Gegner kooptierte oder verfolgte
er, bei Wahlen übte er sich in der Kunst des Unterdrückens und Fälschens. Er isolierte sein Land von der internationalen Gemeinschaft und brachte die Wirtschaft der einstigen Kornkammer Afrikas
zum Kollabieren. Doch Präsident Mugabe klebt an der Präsidentschaft.
In der südafrikanischen Wirtschaftsmetropole Johannesburg verhandelte er über eine Teilung der Macht, nachdem er sein Land vollkommen runierte. Mugabe fordert als Präsident weitere vier
Jahre vereidigt zu werden. Dafür erklärte er sich bereit, Oppositionsführer Morgan Tsvangirai (MDC) das Amt eines Premierministers zuzugestehen. Doch über die Machtfülle beider Ämter kam es
erneut zum Streit. Wer wird über den Oberbefehl über die Streitkräfte verfügen? Welche Ministerien werden von welcher Partei besetzt? Wie steht es um die Abberufung des Premierministers? Wann
wird es zu Neuwahlen kommen? Und unter welchen Umständen?
Denn die letzten Wahlen verliefen katastrophal und stellten den Höhepunkt der Krise in Simbabwe dar. Im März gewann die Oppositionspartei "Bewegung für einen demokratischen Wandel"
(Movement for Democratic Change, MDC) von Morgan Tsvangirai eine knappe Mehrheit. Von den 210 Sitzen im Parlament erhielt sie genau hundert, eine kleine Absplitterung (MDC-M) zehn weitere
Mandate. Die Regierungspartei "Afrikanische Nationalunion von Simbabwe-Patriotische Front" (Zimbabwe African National Union-Patriotic Front, ZANU-PF) konnte nur 99 Sitze auf sich vereinen. Zudem
ging Mugabe bei der gleichzeitig abgehaltenen ersten Runde der Präsidentschaftswahlen als Verlierer hervor. Sein Repressionsapparat hatte nicht mehr ausgereicht, die Bevölkerung sich nach 28
Jahren erstmals gegen ihn, seine Partei, die Alleinherrschaft und die Isolation gestellt. Doch Mugabe wollte nicht aufgeben.
Der Niederlage folgten weitere Wochen der Gewalt. Bis zur zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen schickte Mugabe seine Sicherheitskräfte und gewaltbereite Banden durchs Land, ließ
Oppositionspolitiker ermorden, ihre Anhänger verprügeln und trieb den aussichtsreichsten Kandidat für seine Nachfolge, Morgan Tsvangirai, schließlich zur Flucht in die niederländische Botschaft
in Harare, um seine Teilnahme an der entscheidenden zweiten Runde der Wahlen abzusagen. "Ich kann das Leben meiner Wählen nicht riskieren," sagte der sichtlich erschöpfte Spitzenkandidat, "eine
Stimmabgabe bei den Wahlen darf nicht über Leben und Tod entscheiden."
Wahlfarce
Konkurrenzlos trat Präsident Mugabe schließlich zur zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen im Juni an und konnte so die Mehrheit der Stimmen erzielen. Doch während die internationale
Gemeinschaft und vor allem die afrikanischen Nachbarstaaten früher weggeschaut hatten und ihn - wie viele andere Diktatoren auf der Welt auch - gewähren ließen, regte sich nun erstmals heftige
Kritik. Von Seiten der Afrikanischen Union (AU), der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrikas (SADC) aber auch der Vereinten Nationen (UNO) und ihrer stärksten Mitglieder - wie den
Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich -, wurden die Wahlen in Zweifel gezogen. Der UN-Generalsektretär Ban Ki-Moon äußerte, "dass demokratische Wahlen eines friedlichen
und fairen Wahlkampfes bedürfen." Die internationale Gemeinschaft forderte Präsident Mugabe zu Verhandlungen mit der Opposition auf. Die zusammengebrochene Wirtschaft, eine verzweifelte
Bevölkerung und das Wegbrechen ehemaliger Verbündeter ließen dem Diktator keine Chance mehr. Im Juli traf sich Robert Mugabe mit den Vorsitzenden der beiden Oppositionsparteien.
In Harare unterzeichneten die drei schließlich eine Absichtserklärung, ein sogenanntes "Memorandum of Understanding." Erstmals kam es zum Handschlag zwischen den beiden ärgsten Kontrahenten
Robert Mugabe (ZANU-PF) und Morgan Tsvangirai (MDC). Unter Vermittlung des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki einigten sie sich auf einen Zeitplan für Verhandlungen über eine Regierung der
Nationalen Einheit. Nach kenianischem Vorbild sollte ein Modell probiert werden, nach dem Präsident Mugabe an der Macht bleiben könne, jedoch mit Morgan Tsvangirai einen Premierminister einsetzen
solle. Zwischen den beiden größten Parteien sollten die Ministerposten fair aufgeteilt, der Oberbefehl über die Streitkräfte von beiden abhängig gemacht und schließlich ein gemeinsames
Wirtschaftsprogramm aufgelegt werden. Nur das Parlament sollte den Premierminister abberufen können, nicht der Präsident. Als erste Ziele galten die Inflationsbekämpfung, die Abwehr einer
drohenden Hungerskatastrophe, Verhandlungen mit der internationalen Gemeinschaft über eine Aufhebung der Sanktionen sowie verstärkte Hilfsmaßnahmen.
Präsident Mugabe sollte sich bereit zeigen, der Gewalt abzuschwören und die politischen Gefangenen freizulassen, ungerechtfertigte Anklagen gegen zahlreiche Spitzenpolitiker der Opposition
sollten fallen gelassen werden. Im Gegenzug sollte die Opposition eine Amnestie für diejenigen Straftäter, die sich in den letzten Wochen politisch motivierter Gewaltakte schuldig gemacht hatten,
akzeptieren. Da ansonsten weder das Militär, noch die Anhänger Mugabes die neue Regierung mittragen würden. "Das kenianische Modell ist gut anwendbar. Der Präsident verfügt über eine gewisse
Macht und der Premierminister ebenso," sagt Welshman Ncube von der MDC-M, "die konkreten Pläne lagen auf dem Tisch. Das war schon ein großer Schritt."
Oppositon dringt auf Machtbeteiligung
Doch kam es weder zu einer Einigung über die Details, noch über den Gesamtplan. Präsident Mugabe wollte den Premierminister nur mit repräsentativen Funktionen ausstatten.
Tsvangirai lehnte ab und forderte Bedenkzeit ein. Von Seiten der Regierung wurden Stimmen laut, bei einem Scheitern der Verhandlungen zur Fortsetzung der Alleinherrschaft legitimiert zu sein. Die
Schuld sei dann bei der Opposition zu suchen. Von Seiten der "Bewegung für einen demokratischen Wandel" (MDC) wurde gefordert, Mugabe solle Premierminister werden und Morgan Tsvangirai Präsident.
Schließlich habe Mugabe weder die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen, noch verfüge er in Zukunft über eine Mehrheit im Parlament. Alte Gräben brachen wieder auf.
"Lieber kein Kompromiss, als ein fauler," gestand Oppositionsführer Tsvangirai der New York Times in einem Interview. Seine Anhänger in Simbabwe pflichteten ihm bei. So berichtet Rufaro
Chakawarika, der mit zwei gebrochenen Beinen im Krankenhaus von Harare liegt, der BBC: "Die ZANU-PF ist keine Partei, der man vertrauen kann. Wenn man sich anschaut, was sie in der Vergangenheit
versprach und nicht einhielt, dann glaubt man nicht mehr an die Vereinbarungen für morgen." Und auch Chengerai Mangezuo im Nebenbett zweifelt: "Heute teilen sie die Macht und morgen stellen sie
alles wieder auf den Kopf." Auch Chengerai wurden beide Beine zertrümmert, im Wahlkampf, von Anhängern Mugabes.
Tatsächlich ist an der Ernsthaftigkeit Robert Mugabes zu zweifeln. Auch während der Verhandlungen wurden Oppositionspolitiker in Simbabwe verfolgt, misshandelt und getötet. Die Bilanz
bislang: 120 Tote, 200.000 Geflohene. Dabei schützt Mugabe die Täter nicht nur, weil er das Land befrieden will, sondern um seine wichtigsten Unterstützer, die sein letztes Druckpotenzial
darstellen, zu bewahren. Seine Partei ZANU-PF fordert die Schlüsselministerien der Sicherheit, der Finanzen und des Inneren. Damit würde sie weiterhin Armee, Polizei und das Staatseinkommen
kontrollieren. Zur Unterzeichnung der Absichtserklärung ließ sich Mugabe von dem höchsten Armeegeneral geleiten.
Oppositionsführer Tsvangirai steht also vor dem Dilemma kurzfristige Stabilität zu gewinnen, aber langfristig seiner Bewegung den Niedergang zu bescheren. Denn ohne Frieden und Einfluss
wird er seine Anhänger nicht halten können. Zudem geht es darum, das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wiederzugewinnen. Um aus den Problemen herauszukommen, braucht Simbabwe vor allem
Ordnung und Stabilität.
Am Donnerstag schließlich verkündete die "Afrikanische Nationalunion von Simbabwe-Patriotische Front" (ZANU-PF), dass am kommenden Montag das neue Parlament einberufen zu wollen. Ohne mit
den anderen beiden Parteien Rücksprache zu halten, setze Präsident Mugabe der Bedenkzeit Tsvangirais einen Schlussstrich und begründete sein einseitiges Vorgehen mit dem Versagen der Opposition.
Dabei verstößt er einerseits gegen das Memorandum, andererseits zeigt er, dass er nicht an Rücksprachen mit den anderen Parteiführern interessiert ist, sondern sich weiterhin in einer Sonderrolle
sieht. Die Opposition, die die Mehrheit der neuen Abgeordneten stellen wird, kündigte unterdessen an, der Vereidigung beizuwohnen. "Wir müssen teilnehmen," so Arthur Mutambara (MDC-M), "ansonsten
füllt Mugabes Partei die ersten Parlamentsposten mit eigenen Leuten. Alle weiteren Vorschläge, wie die Einberufung eines neuen, unabgesprochenen Kabinetts, werden wird allerdings boykottieren."
Die Zukunft Simbabwes hängt an einem seidenen Faden. Wieder einmal sind jetzt die Vermittler gefragt. Der südafrikanische Präsident und seine Unterstützter aus Tansania, Swasiland und
Angola arbeiten eifrig an einer Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Mugabe, Tsvangirai und Mutambara. Gerüchte, die MDC-Splitterpartei Mutambaras würde Mugabe gewähren lassen, wurden unterdessen
dementiert.
In Kenia, wo nach ähnlichen Wahl- und Gewaltexzessen ein neues Modell der Machtteilung eingeführt wurde, herrschen derzeit Ordnung und Stabilität. Simbabwe hat mit der Nationalen
Einheitsregierung nur noch eine Chance, die Alternative lautet Rückkehr zu Gewalt, Chaos und Hunger. "Ein kompletter Kollaps der Regierungsverhandlungen wäre ein Desaster für die gesamte Region,"
so Adam Habib von der Universität Johannesburg. Ihm pflichtet auch Elfred Masunungure von der Universität Simbabwe bei: "Ein Abkommen ist noch immer möglich- entgegen aller Rückschritte. Denn
alle Parteien haben erkannt, dass es keine Alternative zu einem Kompromiss gibt."
Insgesamt bleibt in beiden Ländern - Kenia und Simbabwe - jedoch offen, ob die kurzfristige Ruhe für eine langfristige Durchsetzung der Demokratie genutzt werden kann. Denn Zeit zu gewinnen
heißt nicht, dass nachhaltig Probleme gelöst würden.
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.