International

Klima-Gipfel der Hoffnungslosigkeit

Die Weltgemeinschaft berät in New York wieder einmal über den Schutz der Erdatmosphäre. Doch das wird nichts nützen, denn die UN-Klimastrategie steckt in einer strukturellen Krise.
von Wolfgang Gründinger · 30. September 2014
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UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat die Staats- und Regierungschefs der Welt für den heutigen Dienstag zum Sondergipfel nach New York geladen, um die Klimakonferenz in Lima vorzubereiten. Aber wozu? Seit dem Beschluss der Klima-Rahmenkonvention in Rio de Janeiro 1992 sind die globalen CO2-Emissionen nicht etwa gesunken, sondern um mehr als 50 Prozent gestiegen. Sie erreichen Jahr um Jahr neue, traurige Rekordwerte. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Aktuell gibt es noch nicht einmal eine Vereinbarung über Reduktionsziele. Das Kyoto-Protokoll ist 2012 ausgelaufen, seitdem tritt die Diplomatie auf der Stelle. Der Versuch, ein Nachfolgeabkommen auf den Weg zu bringen, ist 2009 in Kopenhagen auf ganzer Linie gescheitert. Die Bilanz der vergangenen 22 Jahre Klimadiplomatie ist enttäuschend.

Der Sondergipfel in New York kann nicht einmal Hoffnungen enttäuschen, weil es keine mehr gibt. Die einstige Klima-Kanzlerin Angela Merkel hielt den Gipfel von vornherein für derart belanglos, dass sie die Einladung des UN-Generalsekretärs nicht annahm, sondern nur ihre Umweltministerin Barbara Hendricks schickte. Auch der Weltklimagipfel im Dezember in Lima wird keinen Befreiungsschlag bringen.

Strukturelle Fehler

Das Versagen der Klimadiplomatie ist strukturell bedingt. Jedes Klimatreffen folgt derselben Dramaturgie: Vor jeder Klimakonferenz werden riesige Erwartungen aufgebaut, um den Eindruck zu erwecken, die Konferenz sei zum Scheitern verurteilt. Anschließend wird der dann doch erzielte Minimalkonsens als gelungenes Ergebnis dargestellt.

Vor mehr als zwanzig Jahren wurde die Rettung des Weltklimas angekündigt, doch seither müht sich die Gipfeldiplomatie an einer Emissionshandelsbürokratie ab, die von einer völlig falschen Prämisse ausgeht. Der Emissionshandel begreift Klimaschutz als teure Last (Stichwort „burden sharing“), und nicht als Chance für technologischen und industriellen Fortschritt mit einem wirtschaftlich hoch lukrativen Hauptgewinn: die Vorreiterrolle bei den zukunftsträchtigen Erneuerbaren Energien.

Erneuerbare im Abseits

Aber die Erneuerbaren Energien stehen bei den UN-Verhandlungen weiter in der Warteschlange. Ausgerechnet die wichtigste Technologie zur Minderung von Treibhausgasen wird bei den Verhandlungen ausgeblendet. Bei dem UN-Gipfel in Cancun 2010 sagte die Chef-Unterhändlerin der deutschen Bundesregierung auf meine Frage, welche Rolle die Kooperation bei Erneuerbaren Energien spiele: „Es passiert eine Menge am Rande der Verhandlungen. Eine konkrete Zusammenarbeit für Erneuerbare Energien steht aber bei den Verhandlungen nicht im Vordergrund.“ Es solle lediglich ein „Komitee für besondere Technologie-Bedürfnisse“ eingerichtet werden. Das war’s.

Die schlagkräftigsten Klimaschutz-Instrumente entstanden bislang immer außerhalb des UN-Prozesses. Das deutsche EEG wurde von mehr als 40 Ländern rund um die Welt übernommen, während die Klimakonferenzen zu Schaukämpfen verkommen und sich in undurchschaubare Pläne für Emissionshandelssysteme verrennen. China macht inzwischen den deutschen Solarproduzenten Konkurrenz und hat sich ambitionierte Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energie daheim gesteckt – ganz ohne internationale Verträge, sondern zur Vermeidung von Importabhängigkeit und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

Einstimmigkeit verhindert Fortschritt

Die Energiewende tut Deutschland gut, und wir täten gut daran, uns auch international stärker zu engagieren. Doch selbst auf EU-Ebene liegt der Emissionshandel, einst als Flaggschiff des Klimaschutzes präsentiert, im Trockendock. Wenn 193 Nationen eingeladen sind, über das Klima zu verhandeln, ist der aus dem UN-Einstimmigkeitsprinzip folgende kleinste gemeinsame Nenner nicht nur sehr klein, sondern geradezu mickrig.

Die USA verwahren sich gegen jede Kritik an ihrem way of life solange die Chinesen sich nicht verpflichten wollen. Die verwahren sich indes gegen ‚Öko-Imperialismus’ und verweisen auf die Klimaschuld der Industrieländer, deren CO2-Ausstoß aktuell viel größer ist, pro Kopf gerechnet, und historisch geradezu gigantische Ausmaße hat. Dazu kommen die ölproduzierenden Länder, die ebenso wenig Interesse am Klimaschutz haben wie Australien oder Kanada, die mit Kohle und Ölschiefer – zumindest für den Moment – gute Geschäfte machen.

Lösung selbst in die Hand nehmen

Globale Probleme brauchen globale Lösungen. Die Vorstellung aber, die Entscheidungen müssten auf globaler Ebene fallen, bevor einzelne Staaten loslegen können, ist ein Irrglaube. Das Gebot der Stunde ist daher eine Koalition der Willigen. Jeder Staat, jede Region, jede Stadt und jeder Einzelne kann den Anfang machen. Wir müssen die Energie-Revolution selbst in die Hand nehmen. Jetzt.

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Wolfgang Gründinger

ist Sozialwissenschaftler, Lobbyist für die Belange der jungen Generation und Autor („Aufstand der Jungen“, „Alte Säcke Politik“). Seit 2015 ist er Referent für Digitale Transformation beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW).

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