Der kleine aber superreiche Golfstaat Katar unterstützt mit viel Geld syrische Rebellen und andere Oppositionelle jedweder Couleur im Nahen Osten – einfach weil der Emir bei den Gewinnern sein will.
Fußballverrückt und Falken verliebt – so möchte Katar am liebsten von den Besuchern aus dem Westen gesehen werden. Kaum ein Geschäftsladen, dessen Besitzer nicht gut sichtbar eine Nachbildung des Worldcups ausgestellt hat, als Foto oder real aus Pappmaschee oder Plastik, sogar handgeschnitzte aus Palmenholz.
Diese demonstrative Fußballbegeisterung ist fast so etwas wie Untertanenpflicht genauso wie die in allen Läden gut sichtbar aufgehängten Photographien des seit Juni herrschenden Emirs, Tamim bin Hamad Al Thani, und seines Vater, Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani, der das Land zuvor 18 Jahre lang regiert hatte. Die Halbinsel, halb so groß wie Hessen, fest in der Hand der Herrscherfamilie Al Thani. Was der Emir sagt, ist Gesetz.
Stolz auf Großereignis
Keinem Katari würde es daher einfallen, Kritik an der Entscheidung zu üben, die Fußball-WM 2022 in ihren Zwergstaat zu holen trotz der horrenden Investitionen, die auch dieser reichste Erdgasproduzent nicht gerade aus der Portokasse bezahlen kann. Allerdings saugen die Kataris auch Stolz und Selbstbewusstsein aus dem kommenden Großereignis. „Wir sind endlich wer,“ hören wir immer wieder in Katars Hauptstadt Doha.
Da ist die Begeisterung der Kataris für die Falknerei allerdings deutlich preiswerter. Auch die wird vom Emir subventioniert. In einer Ecke des traditionellen aber vor 10 Jahren schick renovierten Suq al Waqifi residieren die Falkner. In zweistöckigen Häusern, gebaut im traditionellen Stil, bieten die Besitzer ihre Vögel an. Bis 30 in einem großen Raum, jedes Tier auf einem Pflock angebunden. Lederkappen machen sie blind, um Fluchtversuche zu verhindern.
Billige Gastarbeiter verdienen 400 Euro/Monat
Bis zu 10.000 Euro kosten seine Jagdvögel, erzählt uns Falkner Hamad Mohamed al Kawari. Kein Wunder, dass es seine kostbaren Tiere besser haben als die aus Asien stammenden Betreuer seiner Vögel. Die sind für Arbeitgeber nämlich deutlich erschwinglicher. Lässt einer der Falken etwas in den Sand fallen, kommt sofort ein Arbeiter mit Schaufel und Rechen gerannt und fegt den Kot auf. Falken mögen’s sauber. Tag und Nacht.
Mehrmals am Tag verfüttern die asiatischen Helfer frisches Fleisch an die Raubvögel. Dafür bekommen die Arbeiter, wenn es gut geht, gerademal 2000 Katarische Rial im Monat. Das sind umgerechnet € 400,00. Wird eines des Falkners Tiere krank, liegt gleich um die Ecke die vom Emir finanzierte Spezialklinik für Falken, wo kranke Vogel kostenlos behandelt werden. Etwas Vergleichbares für asiatische Gastarbeiter gibt es nicht.
Doch Kritik an diesen Verhältnissen hört man als Besucher höchstens unter der Hand. Denn Kritik kann gefährlich werden für den Kritiker, auch in diesem arabischen Ministaat, der es so gut versteht, sich dem Westen gegenüber als harmlosen Krösus darzustellen, den man vielleicht wegen seiner gigantischen Einnahmen aus der Erdgasförderung beneidet, sonst aber eher als fußball- und folkloreverrückt belächelt.
Kritiker leben gefährlich
Tatsächlich aber hatte das oberste Gericht des Landes erst kürzlich das Urteil gegen einen Kritiker des Emirs von 15 Jahren Gefängnis bestätigt. Der Dichter Mohamed Al Ajami hatte es 2011 gewagt während der Hochzeit des arabischen Frühlings, der königlichen Familien ein paar Fragen zu stellen. Zum Beispiel die: „Sie importieren alle Ihre Sachen aus dem Westen. Warum importieren Sie nicht auch Gesetz und Freiheit?“ Die Antwort kam postwendend, aber nicht von den Al Thanis selber sondern von einem ihrer Gerichte. Das verurteilte ihn zunächst zu lebenslänglicher Haft - wegen „Aufruf zum Umsturz“. Ein Berufungsgericht „milderte“ die Strafe 2013 auf 15 Jahre.
Tatsächlich unterstützt Katar wie kaum eine Regierung im Nahen Osten in anderen arabischen Ländern Bewegungen und Parteien, die genau das fordern, was Emir al Thani seinen Untertan verweigert, zum Beispiel Meinungsfreiheit und politische Mitbestimmung.
In Libyen finanzierte er die Rebellen gegen Gaddafi, drängte die Arabische Liga einer Flugverbotszone über dem Wüstenstaat zuzustimmen. Er beteiligte sich sogar mit eigenen Kampfflugzeugen an dem NATO-Einsatz über Gaddafis Land, was letztendlich zu dessen Sturz geführt hatte. Den Nilstaat Ägypten hat Katar seit dem Sturz Mubaraks mit mehr als acht Milliarden Dollar gefüttert, die vermutlich besonders den Moslembrüdern zugute kamen. Auch militante Assadgegner im syrischen Bürgerkrieg, vor allem Islamisten und auch solche, die die US-Regierung als terroristisch eingestuft hat, wie die Nusra-Front, werden unterstützt.
Insgesamt soll Katar seit Beginn des „Arabischen Frühlings“ laut dem Hamburger Forschungsinstitut GIGA 17 Milliarden Dollar Finanzhilfe an Rebellen und neue Regierungen gezahlt haben.
Wohlstand statt Volksherrschaft
Wie kommt es zu diesem Widerspruch? Der Emir, im eigenen Haus der autoritäre Patriarch, der seinen Untertanen dank der hohen Einnahmen aus der Erdgasförderung jeden politischen Schneid abkaufen kann. Auf der anderen - die Unterstützung selbst solcher extremistischen Gruppen, die er bei sich Zuhause verfolgen würde. Sogar Verbindungen zu Al-Qaida werden dem Land nachgesagt, das gleichzeitig die größte Militärbasis der USA im arabischen Raum beherbergt. Lassen sich solche Widersprüche auflösen?
Erklärungen gibt etwa Michael Stephens vom britischen Royal United Service Institute, einem internationalen Think Tank. Für den außenpolitischen Winzling zähle allein die Frage, wer gewinnt am Ende in einem Konflikt. Katar sei schließlich zu klein, um wirklich wählerisch bei seinen Partnern sein zu können. Selbst mit Kommunisten würde der Emir zusammenarbeiten, vorausgesetzt sie sind stark, erfolgreich und einflussreich genug.
Dass sich der oberste Katari auch gründlich verrechnen kann, zeigt nicht nur das Beispiel Ägypten. Die von ihm unterstützten Moslembrüder sind gescheitert, das Militär entmachtete sie, warf sie ins Gefängnis und bestimmt selbst wieder die Geschicke des Landes. Auch ob die Millionen von Dollar, die der Emir bei den syrischen Rebellen investiert, gut untergebracht sind, ist für Michael Stephens fraglich. Assad auf dem Vormarsch, und auf der Rebellenseite gewinnen blutrünstige Extremisten wie die ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) zunehmend an Boden. Sie werden vermutlich von privaten Geldgebern am Golf unterstützt.
Ein Stellvertreterkrieg sei der Krieg in Syrien für Katar jedenfalls nicht, also kein Endkampf zwischen dem schiitischen Iran und der sunnitischen Welt. Schließlich sei das kleine Land zu einer pragmatischen Iranpolitik gezwungen, es müssen sich schließlich mit dem mächtigen Nachbarn jenseits des persischen Golfs Erdgasfelder teilen: „Die Kataris mögen die Iraner nicht, beobachten sie misstrauisch aber arrangieren sich mit ihnen“, erklärt Stephens, „umgekehrt ist es genauso. Für Saudi Arabien allerdings ist dieser Krieg in Syrien tatsächlich ein Stellvertreterkrieg.“
Die Kataris selber interessieren sich nur mäßig für solche Fragen. Falkenzüchter Hamad Mohamed al Kawari, den wir im Suq Waqif getroffen hatten, antwortete auf meine Frage nach Syrien nur: „Ich bedauere, dass aus Syrien oder Ägypten keine Touristen mehr kommen. Die hatten unsere Falken immer zur Jagd gemietet.“