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Internationaler Frauentag: Und wie steht es heute mit der Solidarität?

Zum ersten Internationalen Frauentag im Jahr 1911 trafen sich allein in Berlin 45.000 Frauen, misstrauisch beobachtet von der Polizei. Der „Vorwärts“ schrieb dazu zwei Tage später: „Man brachte ein tausendstimmiges Hoch auf das Frauenwahlrecht aus, und das verletzte, wie es schien, das zartbeseitete Gemüt der Polizei.“
von Renate Faerber-Husemann · 7. März 2018
Frauentag
Frauentag

Was die Frauen – neben dem Wahlrecht, das sie erst einen Weltkrieg später erreichten, forderten, war ja auch wirklich unerhört: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und „Verbesserungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes“. Und noch unerhörter ist, dass diese Themen immer noch auf der Tagesordnung stehen.

Frauen können alles – oder?

Okay, Frauen können heute alles werden und alles machen. Sie können Kanzlerin und Ministerpräsidentin, sie leiten Firmen und Parteien. Sie können heiraten, wen sie wollen und sich scheiden lassen, wenn es nicht passt. Sie studieren und haben im Schnitt die besseren Abschlüsse. Sie können tatsächlich alles – wenn sie bereit sind, auf Kinder zu verzichten. Wollen sie beides, dann entscheiden sie sich all zu häufig für ein Leben voller (fauler) Kompromisse: Schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber. Schlechtes Gewissen den Kollegen gegenüber, für die eben nicht nach Arbeitsschluss der zweite Arbeitstag beginnt mit Kindern und Haushalt.

Viele Frauen resignieren, wechseln in Teilzeit und hoffen, wieder aufholen zu können, wenn die Kinder älter sind. Während der Mann an ihrer Seite durchstartet und sich toll fühlt, wenn er ausnahmsweise Kinder von der Kita abholt oder eine Waschmaschine füllt.

Altersarmut als Konsequenz

Die Gutverdiener unter den Paaren können das regeln: Die Wohnung wird geputzt von Frauen aus Südamerika oder den Philippinen, deren Kinder bei der Oma aufwachsen und für die die Mutter eine Frau ist, die Geld schickt, damit sie in die Schule gehen können. Pflegebedürftige Familienangehörige werden von Frauen aus Osteuropa versorgt, deren Kinder....siehe oben!

Wer sich solche Hilfen nicht leisten kann, sich gar als Alleinerziehende mit immer zu wenig Zeit und zu wenig Geld durchschlägt oder bei den Ämtern um Unterstützung fürs Überleben bettelt, wird unsichtbar. Ja, wir alle wissen, wie es allzu vielen Alleinerziehenden geht, die – schlecht bezahlt – bis zur Erschöpfung schuften und genau wissen, aber verdrängen, was ihnen später blüht: nämlich Altersarmut, weil sie Lücken bei den Rentenbeiträgen haben und weil niedriger Lohn eben niedrige Rente bedeutet.

Frauentag ist international

Der 8. März ist der „Internationale Frauentag“. Wir sollten also wie die Kämpferinnen von damals über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Obwohl es genügend Probleme im eigenen Land gab, war der Blick vor mehr als hundert Jahren bewusst auf jene Schwestern gerichtet, denen es noch schlechter ging als den Frauen in der Mitte Europas. Und heute? Wie buchstabieren wir Solidarität in Zeiten der Globalisierung? Kann sich die kinderlose Karrierefrau hineinversetzen in die südamerikanische Landarbeiterin mit zehn Kindern? Kann sie die Ängste der Näherin aus Bangladesh verstehen, deren Betrieb droht, nach China zu gehen, wo die Löhne noch schlechter sind?

Gleichen sich die Ängste der Frauen – wenn auch auf höchst unterschiedlichem Niveau – vielleicht sogar? Die junge Deutsche fürchtet, spätestens ab dem zweiten Kind den beruflichen Anschluss zu verlieren, in Minijobs, Zeitverträge, Teilzeitarbeit oder gleich in die Arbeitslosigkeit abgedrängt zu werden. Sie fürchtet künftige Altersarmut und schaut neidisch auf gleichaltrige Männer, die trotz schlechterer Abschlüsse im Studium an ihr vorbeiziehen und deshalb leider keine Zeit haben, sich auch noch um Haushalt und Kinder zu kümmern.

Mehr Solidarität wagen

Die Afrikanerinnen wiederum rechnen gar nicht mit dem Vater ihrer Kinder. Sie ziehen, unterstützt von anderen Frauen, die Kinder auf und sorgen für das Überleben. Es gibt weitere Gemeinsamkeiten in diesen so unterschiedlichen Biografien: In den kinderarmen, reichen Ländern macht man allein die Frauen verantwortlich für den ausbleibenden Kindersegen. In den kinderreichen armen Ländern schiebt man den Frauen die Schuld zu, wenn sie mehr Kinder auf die Welt bringen, als die Gesellschaft verkraften kann.

Vielleicht sollten wir an diesem Internationalen Frauentag trotz aller berechtigen Klagen über Folgendes nachdenken:

In den Zeiten der Globalisierung rücken wir uns näher: Wir kennen die Schicksale der illegalen Arbeitsmigrantinnen. Wir haben die Hoffnungslosigkeit in den Slums von Afrika gesehen. Und wir sollten – ganz im Sinne der Gründerinnen des Internationalen Frauentages, auf deren Schultern wir stehen – nicht vergessen: Im Vergleich zum Rest der Welt geht es EU-Bürgerinnen relativ gut: Sie werden nicht in Bordelle verschleppt oder verbrannt wie in Indien. Sie sind nicht gezwungen, sich und ihre Kinder mit Prostitution über Wasser zu halten. Sie müssen nicht, wie in Afrika, pro Jahr ein Kind zur Welt bringen und davor zittern, dass der Mann sie mit Aids anstecken könnte.

Klingt das zynisch? Ja, aber das ist – auch – die internationale Realität!

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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