Initiative Europe Talks: „Wenn jemand Europa verändern kann, dann wir“
„Wenn wir über Europa sprechen, betrachten wir es immer aus der nationalstaatlichen Perspektive. Das ist nicht europäisch, sondern nur das deutsche, spanische oder portugiesische Europa“, sagt Vivien Costanzo. Die 29-Jährige engagiert sich in Südhessen für die SPD und kandidiert für das Europaparlament. Sie hat einen deutschen und einen italienischen Pass, arbeitet daher stark mit jungen Sozialdemokraten in Florenz, der Partnerregion des Landkreises Darmstadt-Dieburg zusammen, Daraus entstand die Idee für eine Veranstaltung. Ursprünglich sollte es ein Seminar für 30 Jusos in Südhessen werden. Letztlich wurde es im April 2018 eine Konferenz mit 150 Leuten aus zwölf europäischen Ländern in Frankfurt. Schirmherr war Udo Bullmann, Vorsitzender der S&D-Fraktion im Europaparlament. „Das Interesse war riesig. Das hat mich selbst überrascht“, berichtet Costanzo.
Aktivisten aus zwölf Ländern
Nach dem Ende der Konferenz war schnell klar, dass es weitergehen sollte. Für Europa und für den Austausch. Also schrieben sie als Ergebnis der einzelnen Workshops ein neunseitiges Manifest mit acht Kapiteln und ihren Forderungen für Europa. „Die europäische Identität muss inklusiv sein und stets die unterschiedliche Herkunft und Vielfalt würdigen“, heißt es darin beispielsweise. „Uns war wichtig, dass wir uns nicht nur treffen und danach ohne Ergebnis auseinandergehen“, sagt Costanzo. So wurde aus der Konferenz „Europe, we need to talk“ die Initiative „Europe Talks“, die sich kurz darauf bereits beim SPD-Bundesparteitag in Wiesbaden präsentierte.
Das Ziel der Initiative ist es, europäische Sozialdemokraten und Sozialisten auf lokaler Ebene miteinander zu vernetzen. Beispielsweise plant die SPD in Darmstadt ein Projekt mit ihren sozialistischen Partnern in Logroño in Nordspanien. Bei solchen Kooperationen versteht sich „Europe Talks“ als Dienstleister. „Wir haben unsere Partner in Madrid angerufen und den Kontakt vermittelt“, berichtet Costanzo. Was in Südhessen begann, ist inzwischen zu einem gemeinsamen europäischen Projekt geworden. Neben Costanzo fungiert Daniel Diez Cecilia aus Spanien als Ansprechpartner der Organisation. Insgesamt bilden 25 bis 30 Aktive aus zwölf Ländern den harten Kern der Initiative, alle zwischen Anfang 20 und Mitte 30. Costanzo sagt: „Wir sind einfach junge Menschen, die Lust auf Europa haben.“
Sozialdemokratie vorwärts bringen
Zudem ähneln sich die Themen, die für die Aktivisten in ihrer politischen Arbeit relevant sind. Auf ihrem zweiten Kongress im November 2018 erörterte „Europe Talks“ beispielsweise mit Partnern aus dem Tschad und dem Kongo Fragen der Migration, in Wien ging es im Februar um bezahlbaren Wohnraum. Europe Talks will die Sozialdemokratie vorwärts bringen: „Wenn wir Europa zusammenbringen wollen, brauchen wir eine Sozialdemokratie, die europäisch denkt. Wenn jemand Europa verändern kann, dann wir.“
Unterschiede gibt es allerdings in der Organisation der politischen Arbeit, was kaum verwundert bei Aktivisten aus zwölf verschiedenen Ländern: „Vieles an Abläufen in anderen Ländern ist für uns erst mal etwas verwirrend oder neu, aber deswegen muss man es nicht gleich als schlecht abstempeln. Man kann es sich auch erst mal anschauen. Das ist das, was Europe Talks ausmacht, miteinander Erfahrungen zu sammeln.“
Schweden, Kroaten und Briten in Hessen
Zur Europawahl geht es um europaweite Arbeitnehmerrechte, bessere Arbeitsbedingungen und den Kampf gegen Rechts. Dafür kommen in der kommenden Woche einige Aktivisten aus Kroatien, Schweden, Österreich und Großbritannien nach Hessen, um gemeinsam Wahlkampf zu machen. Für und mit der Europakandidatin Vivien Costanzo. Sie sagt: „Für uns ist es ein super Gewinn, wenn junge Menschen aus verschiedenen Ländern bei uns gemeinsam auf der Straße stehen und für Europa Wahlkampf machen. Gleichzeitig lernen wir viel voneinander. So haben wir eine Innen- und Außenwirkung.“
Auch nach der Wahl am 26. Mai soll die Arbeit von Europe Talks weitergehen. Im Sommer haben die Aktivisten in Spanien einen Workshop zu dualer Ausbildung geplant, im Herbst ein Seminar in Kroatien zur Situation auf dem Westbalkan. „Wir gucken mal, wie die nächsten zwei, drei Jahre laufen, aber wir haben keine Angst und lassen uns nicht vom Weg abbringen. Wir machen das, was uns Spaß macht“, sagt Costanzo.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo