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Impstoffbeschaffung: Was die SPD in Europa jetzt fordert

Die Impfstoffbeschaffung in der EU sorgt für Fragen. Denen stellte sich Kommissionspräsidentin von der Leyen in einer Sitzung der S&D-Fraktion. Die Sozialdemokrat*innen fordern nun vor allem Transparenz.
von Jonas Jordan · 3. Februar 2021
EU-Kommissionspräsidentin musste sich in der S&D-Fraktion einer „kritischen, aber konstruktiven“ Debatte stellen.
EU-Kommissionspräsidentin musste sich in der S&D-Fraktion einer „kritischen, aber konstruktiven“ Debatte stellen.

Tiemo Wölken ist gesundheitspolitischer Sprecher SPD-Abgeordneten im Europaparlament. In einem Pressegespräch am Mittwoch berichtete er von einem konstruktiven und kritischen Austausch mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen während einer Sitzung der S&D-Fraktion am Vortag. Der in mehreren europäischen Medien erhobenen Forderung nach einem Rücktritt der konservativen Kommissionschefin schloss sich Wölken nicht an. Dennoch stellt der SPD-Europaabgeordnete aus Niedersachsen klar, welche Erwartungen er und seine Kolleg*innen nun an von der Leyen stellen. Konkret sprach Wölken über folgende Punkte:

...die Forderung nach mehr Transparenz

„Ich glaube, an der Stelle macht sie es sich zu einfach“, sagte Wölken bezüglich von der Leyens Aussage, die geforderte Transparenz scheitere in erster Linie an den beteiligten Unternehmen. Schon seit Oktober sei im Gesundheitsausschuss des Europaparlaments mehr Transparenz im Hinblick auf die Impfstoffbeschaffung auf europäischer Ebene gefordert worden. „Die Kommission hätte von Anfang an ein transparenteres Verfahren einschlagen müssen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Europa-SPD daher. Für ihn sei klar: Wenn die Geheimhaltung vertraglich vereinbart sei, dürfe die EU-Kommission Verträge nicht einseitig veröffentlichen. Allerdings müsse man sich fragen, warum es diese Geheimhaltungsklauseln überhaupt gebe.

...von der Leyens Rolle beim Impfmanagement

Wölken kritisierte, dass von der Leyen dieses Thema nicht offensiv angegangen sei. „Sie hätte das Krisenmanagement viel schneller in die Hand nehmen müssen“, sagte er. Erst nach deutlicher Kritik an ihrem Abtauchen sei von der Leyen medial präsent geworden. Auch während der Anhörungen im Gesundheitsausschuss habe sie stets die zuständige Generaldirektorin Sandra Gallina vorgeschickt. Allerdings sagte Wölken auch: „Wenn sie jetzt das Management zur Chefinnensache macht, haben wir alle etwas gewonnen.“ Auf die Frage eines Journalisten nach Rücktrittsforderungen gegenüber der Kommissionspräsidentin sagte Wölken: „Natürlich müssen wir die Fehler aufarbeiten, aber lassen wir uns doch erst mal dafür sorgen, dass alle Europäerinnen und Europäer geimpft werden.“

...die Einbindung des Europaparlamentes

Es seien große Fehler bei der Einbindung des Europaparlamentes gemacht worden, kritisierte Wölken. Anders als die Mitgliedsstaaten, die jeweils eine*n Vertreter*in in den zuständigen Lenkungsausschuss entsandten, sei das Parlament nicht in die Verhandlungen zur Impfstoffbeschaffung eingebunden gewesen. Wichtig sei daher nun, „dass wir jetzt alle Verträge sehr schnell sehen“. Außerdem müssten alle Europaabgeordneten Zugang zu den Protokollen des Lenkungsausschusses bekommen.

...die Nutzung des russischen Impfstoffes Sputnik V

Die Debatte um eine mögliche Nutzung des russischen Corona-Impfstoffes Sputnik V innerhalb der Europäischen Union sei beim Gespräch mit von der Leyen während der Fraktionssitzung kein Thema gewesen, erklärte Wölken auf Nachfrage. „Natürlich ist jeder Impfstoff wichtig, Priorität haben die Wirksamkeit und Sicherheit. Sollte Sputnik V die Zulassung durch die EMA (die europäische Arzneimittelbehörde Anm.d.Red.) bekommen, haben wir einen weiteren sicheren Impfstoff, den wir verwenden können“, sagte Wölken. Die jüngsten Daten legten nahe, dass Sputnik V durchaus zuverlässig sei. Allerdings stelle sich die Frage, inwieweit es sinnvoll sei, dass die EU über die bereits bestellten 2,3 Milliarden Impfstoffdosen hinaus noch mehr Impstoff kaufe.

...die globale Versorgung mit Corona-Impfstoffen

„Wir dürfen die globale Dimension nicht aus den Augen verlieren. Die Pandemie ist nicht beendet, wenn in Europa alle geimpft sind“, machte Wölken deutlich. Beispielsweise sei es möglich, dass sich in anderen Teilen der Welt Virus-Mutationen bildeten, gegen die die Impfungen wirkungslos seien. Deswegen nahm Wölken die EU-Kommission in die Pflicht, ihrer Verantwortung in diesem Bereich gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang sprach er sich auch gegen die Einführung einer Genehmigungspflicht für den Export von Covid-19-Impfstoffen aus.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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