Die Krise hat eine Fülle wirtschaftspolitischer Literatur aus allen Schulen der Ökonomie hervorgebracht. Kapitalismuskritik, Marktskepsis und Regulierungsfreude war dabei überraschenderweise
selbst bei Autoren zu finden, die sonst eher dem wirtschaftsliberalen Lager zuzurechnen waren. Umso bemerkenswerter ist das hier rezensierte Buch dreier Autoren, die eher der Sozialdemokratie
nahe stehen. Neben den Berliner Professoren Sebastian Dullien und Hansjörg Herr ist es mit Christian Kellermann ein Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung, die das Buch auch gefördert hat. Denn
hier wird klar eine Lanze für den Kapitalismus gebrochen, allerdings für einen an Haupt und Gliedern reformierten.
Der Kapitalismus konnte es schon mal besser: Zwischen 1950 und 1970, als er national und international in ein Regelsystem eingebettet war, das aus der großen Krise der 1930er Jahre
hervorgegangen war. Es ist Zeit für eine Neuauflage von New Deal und Bretton Woods, die den veränderten Bedingungen des globalen Kapitalismus und der europäischen Integration Rechnung trägt. Die
Autoren zeichnen den Weg fortschreitender Liberalisierung und Deregulierung der letzten 40 Jahre nach, der letztlich jene Ungleichgewichte und Ungleichheiten ermöglicht hat, die die aktuelle
Krise auslösten.
Reform an Haupt und Gliedern
Die Maßnahmen für einen besseren Kapitalismus müssen entsprechend auf allen Ebenen ansetzen: Bei der Regulierung der globalen Finanzmärkte, einer aktiveren europäischen und einer mutigeren
und sozialeren deutschen Wirtschaftspolitik. Und sie müssen weit über das gegenwärtige Krisenmanagement hinausgehen, das zunächst und zuvörderst das Finanzsystem wiederbeleben und den
Konjunktureinbruch bremsen muss, obwohl das Kapitel 3 des "Guten Kapitalismus" auch dafür klare Vorschläge bereit hält. Sie gehen vor allem von den skandinavischen Erfahrungen mit Bankenkrisen
aus und fordern einen Dreistufenplan aus Eigenkapitalerhöhung, Teilverstaatlichung und Bad Bank, der einerseits auf schnelle Bereinigung der toxischer Anlagen zielt, andererseits aber die Lasten
für Staat und Steuerzahler beschränkt. Die Fiskal- und Geldpolitik muss solange expansiv bleiben, wie noch Deflation droht, die aber vor allem auch durch einen stabilen Lohnanker zu bekämpfen
ist.
Eine neue Ordnung für die Märkte
Langfristig entscheidend sind aber die von den Autoren geforderten Strukturreformen im institutionellen und regulatorischen Umfeld der Märkte. Das internationale Wechselkursregime ist so
neu zu ordnen, dass es weniger Schocks auslöst. Die europäische Wirtschaftspolitik muss Wachstum und Beschäftigung nicht länger auf dem Altar der Stabilität opfern und Ungleichgewichte frühzeitig
korrigieren, etwa durch eine differenzierte Kreditpolitik. Das alles entlässt aber die deutsche Wirtschaftspolitik nicht aus der Verantwortung. Sie muss mehr für Bildung und Investitionen tun,
die soziale Sicherung gewährleisten und diese Aufgaben solide durch eine gerechtere Verteilung der Lasten finanzieren. Die Autoren sind keine Freunde endlos wachsender Staatsschulden! Weniger
Ungleichheit erfordert auch eine bessere Gestaltung der Arbeitsmärkte durch starke Tarifpartner, Flächentarifverträge, Mitbestimmung, untermauert durch gesetzliche Mindestlöhne. Der eilige Leser
findet das komplette Programm auf vier Seiten im letzten Kapitel des Buches.
Dieses Programm wird sicher nicht leicht durchzusetzen sein. Aber eine klare Orientierung sollte auch den politischen Willen stärken. Vielleicht lässt sich die Botschaft dieses Buches in
Abwandlung des Rezensionstitels eher so zusammenfassen: "Bessere Dich, Kapitalismus!"
Dr. Michael Dauderstädt, Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
Sebastian Dullien, Hansjörg Herr, Christian Kellermann: "Der gute Kapitalismus .... und was sich dafür nach der Krise ändern müsste" mit einem Vorwort von Gesine Schwan, transcript-verlag,
Bielefeld 2009, 248 Seiten, 19,80 Euro, ISBN 978-3-8376-1346-9