Gescheitertes Impeachment: Eine zweite Amtszeit Trumps ist wahrscheinlicher geworden
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Es dauerte nur wenige Minuten, bis der amerikanische Senat am Mittwoch entschied, den amerikanischen Präsidenten Donald Trump von allen Vorwürfen frei zu sprechen und damit das bislang erst dritte Impeachment-Verfahren in der amerikanischen Geschichte zu beenden. Während die Demokraten geschlossen gegen Trump stimmten, entschied die republikanische Mehrheit mit nur einer Ausnahme – der des früheren Präsidentschaftsbewerbers Mitt Romney – auf Freispruch.
Damit ist ein Amtsenthebungsverfahren zu Ende gegangen, in dessen Mittelpunkt die ebenso undurchsichtige wie anrüchige „Ukraine-Affäre“ stand. Es war zweifelsohne von Beginn an wenig wahrscheinlich, dass sich im Wahljahr 2020 die nötige zwei-Drittel-Mehrheit unter Einschluss einer Reihe von Republikanern finden würde, um Donald Trump aus dem Amt zu entfernen, zumal es gleichzeitig das erste erfolgreiche Impeachment Verfahren eines amerikanischen Präsidenten überhaupt gewesen wäre.
Die Zerrissenheit der USA unterm Brennglas
Dabei ist vieles von dem, was die Demokraten Trump vorwerfen durch intensive Presseberichterstattung dokumentiert. Dass seine republikanischen Parteifreunde in Unterwürfigkeit sogar verhindert haben, den früheren Sicherheitsberater John Bolton (gewiss kein Parteigänger der demokratischen Partei) auch nur anzuhören, zeigt, wie angeschlagen die Kontrollinstanz ist. Dabei wäre Bolton entscheidend gewesen um zu zeigen, dass Trump sein Amt sehr wohl genutzt hat, um die Ukraine, zu drängen, seinen innenpolitischen Rivalen Joe Biden zu diskreditieren und Ermittlungen gegen dessen Sohn einzuleiten. Auch wenn Trump dieses bestreitet, so darf es als erwiesen gelten, dass dies eine Lüge ist. Alle Versuche, Bolton unter Verweis auf Geheimhaltungspflichten zum Schweigen zu bringen, sind in einer freiheitlichen Demokratie wie den USA aussichtslos.
Die letzten Wochen zeigte sich wie unter einem Brennglas die ganze Zerrissenheit der USA, die nicht ohne Folgen bleiben kann für das transatlantische Verhältnis. In den drei Jahren seit seinem Amtsantritt hat Donald Trump die Koordinaten eines Systems, das über Jahrzehnte gewachsen ist, verschoben. Innenpolitisch mit bislang beispiellosen Tiraden gegen die freie Presse, die Opposition, aber auch dem Schulterschluss mit der Alt-Right. Außenpolitisch mit brutaler „America-First-Politik“, deren Auswirkungen sich in den Handelsauseinandersetzungen mit China und Europa, der Aufkündigung des Pariser Klimaschutzabkommens, dem Ausstieg aus dem Iran-Vertrag oder auch dem Ausstieg aus dem INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen zeigen.
Kritische Republikaner gibt es nicht mehr
Vor diesem Hintergrund ist der Ausgang des Verfahrens erschreckend, trägt es doch dazu bei, den Machtmissbrauch Trumps zu legitimieren. Zugleich zieht der Präsident mit einem beunruhigenden Ausmaß an Machtfülle in den Wahlkampf. Denn ungeachtet aller Proteste innerhalb der republikanischen Partei, ist sein faktischer Rückhalt nicht geschwunden – im Gegenteil: Trump muss keinerlei Widerstände in seiner Partei fürchten; kritische Republikaner werden durch massive Kampagnen in Vorwahlen entweder zum Schweigen gebracht oder durch Trump-Anhänger ersetzt. Insofern hat Trump die republikanische Partei – wie Ronald Nelles und Marc Pitzke im Spiegel zu Recht schreiben – fest im Griff.
An der Spaltung der amerikanischen Bevölkerung und auch der Politik – die ein historisches Ausmaß angenommen hat – konnte das Verfahren weder zum Guten noch zum Schlechten etwas ändern. Wer in dieser Woche Trumps jährliche Rede zur Lage der Nation beobachtet hat, bekam davon einen sicht- und hörbaren Eindruck. Begeisterter Jubel auf der einen Seite, steinernes Entsetzen auf der anderen, am Ende Nancy Pelosi als Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Trumps Redemanuskript wortwörtlich zerriss.
Die Aussichten der Demokraten sind zweifelhaft
Nicht zuletzt das Auszählungsdebakel beim ersten Vorwahlauftakt in Iowa hat schlaglichtartig gezeigt, wie schwer es die demokratische Partei haben wird, Trump zu schlagen – wer auch immer der Kandidat sein wird. Der Wettstreit zwischen dem linken Flügel um Bernie Sanders und Elizabeth Warren auf der einen Seite und Joe Biden, Pete Buddigieg oder Amy Klobuchar ist so groß, dass schwer vorstellbar ist, wie die Demokraten sich bis zur Wahl hinter einem dann nominierten Kandidaten erfolgreich versammeln können.
Die Frage, ob ein moderater Kandidat bessere Chancen hat als ein Kandidat, der entschiedenen Parteilinken ist nach meiner Einschätzung sehr offen und historische Vergleiche zu dem Sieg Nixons über McGovern 1968 lange her und auch weit hergeholt. Ob am Ende die Empörung über Trump, die es ja nicht nur in Europa und in Deutschland gibt, sondern die auch in Amerika bei den Trump-Gegnern weit verbreitet ist, dazu führt, dass die Trump-Gegner in Scharen zur Wahl gehen und dafür sorgen, dass es einen Sieg für einen demokratischen Präsidentschaftsbewerber gibt, ist zweifelhaft.
Wer die fast täglichen Videobotschaften von Bob Reich, dem früheren Arbeitsminister unter Clinton, anschaut, könnte auf die Idee kommen, dass die Chancen gut sind, aber das ist höchst ungewiss. Denn es bleibt dabei, dass selbst eine deutliche Stimmenmehrheit wie bei Hillary Clintons Kandidatur gegen Donald Trump nicht zwangsläufig sicherstellt, dass der Weg ins Weiße Haus am Ende offen steht – dem Wahlmännersystem sei dank. Entscheidend könnten wieder einmal wenige, kritische Staaten sein. Und es ist offen, ob es gelingen kann, Trump Niederlagen in Ohio, Wisconsin, Pennsylvania und ähnlichen Staaten zu geben, die am Ende den Ausschlag geben werden und nicht das große Kalifornien, New York oder all die Staaten, die fest in demokratischer oder republikanischer Hand sind.
Niemand in Deutschland kann sich eine zweite Amtszeit Trumps wünschen
Was bleibt festzuhalten? Das Impeachment-Verfahren hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Wenn ein Präsident tricksen, lügen, wüten kann ohne jedwede Konsequenz, ist das außerordentlich beunruhigend. Und politische Irrationalität in erschreckendem Ausmaß gibt es dieser Tage nicht nur in Pjöngjang, Ankara oder Damaskus, sondern inzwischen auch in Washington.
Niemand kann sich in Deutschland eine zweite Amtszeit von Donald Trump wünschen. Sie ist mit dem Impeachment-Verfahren aber ein ganzes Stück wahrscheinlicher geworden. Die USA sind stark genug, dass das Amerika, das progressive, das demokratische, das freiheitliche Amerika, das es jenseits von Trumpf und Co. gibt, auf Dauer obsiegen wird. Das ist die optimistische Sicht in diesen Tagen.