Zweieinhalb Tage ist Michail Chodorkowski wieder in Freiheit. Am Sonntag hat der bis vor kurzem bekannteste Gefangene Russlands eine Pressekonferenz in Berlin gegeben. Politisch aktiv möchte Chodorkowski nach eigenem Bekunden nicht werden.
Zehn Jahre nach seiner Verhaftung in Nowosibirsk und 36 Stunden nach seiner Freilassung aus dem Straflager Segescha in Karelien kommt er herein in den kleinen Saal des Mauer Museums in Berlins Mitte. Ein schüchtern lächelnder Michail Chodorkowski, der nach seinen eigenen Worten in dem beträchtlichen Gewühl seiner Pressekonferenz nur ein Anliegen hat: „Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, dass sie da sind. Danke für ihr Interesse. Mein wichtigstes Ziel ist Dank zu sagen, denjenigen, die geholfen haben.“
Er meint vor allem den früheren deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und er erwähnt auch Angela Merkel. Wladimir Putin erwähnt er nicht. Einen aufgeräumten und vorsichtigen Eindruck macht der prominente Ex-Häftling, der sich darüber freut, mit seiner Familie wieder vereint zu sein und der noch nicht weiß, „wo wir leben werden“. Der aber auch sagt, dass er nicht ins Detail seiner Freilassung gehen will, da seine Leidensgefährten noch im Gefängnis sitzen: „Es gibt nach wie vor politische Gefangene in Russland.“
„Erst auf der Reise erfuhr ich, dass es nach Berlin geht.“
Ein Blitzlichtgewitter prasselt auf Chodorkowski ein, jede Bewegung, jede Reaktion wird von den Kameras festgehalten, jeder seiner Sätze notiert. Beunruhigen tut ihn das augenscheinlich nicht. Chodorkowski sagt aber auch in seinem kurzem Statement: „Mit soviel Aufmerksamkeit habe ich nicht gerechnet. Geben sie mir ein bisschen Zeit mit meiner Familie. Wir wissen noch nicht, wo wir leben wollen.“
Und dann kommen einige Sätze, die zu den wichtigen dieser einstündigen Veranstaltung gehören: „Ich hatte keine Wahl als es um meine Freilassung ging. Ich wurde entlassen. Erst auf der Reise erfuhr ich, dass es nach Berlin geht.“ Nüchtern spricht der schlanke Ex-Oligarch in dunklem Anzug mit dunkler Krawatte. Frei von Emotionen: „Ich habe keine Garantien, wenn ich nach Russland zurückkehre, dass ich es wieder verlassen kann.“ Einen Moment herrscht Stille in dem engen Raum. Also doch eine Art von Exil? Chordokowski schaut auf. Keine Antwort.
„Der Kampf um die Freiheit ist nicht mein Ding.“
Viel ist in den vergangenen Tagen nach seiner Begnadigung durch Präsident Wladimir Putin spekuliert worden, was der Freigelassene vorhat: „Ich habe nicht vor, politisch aktiv zu werden. Der Kampf um die Macht ist nicht mein Ding. Ich will gesellschaftlich aktiv sein.“
Er wolle helfen, das Leben in Russland zu verbessern, sagt Chodorkowski und er will sich für politische Gefangene einsetzen und er wolle auf keinen Fall, dass durch seine Entlassung Probleme im deutsch-russischen Verhältnis auftreten.
Dann wird es doch noch politisch als Chordokowski Wladimir Putin schließlich erwähnt und mit Blick auf die Ukraine meint: „Von ganzer Seele wünsche ich Julia Timoschenko die Freilassung. Präsident Janukowitsch sollte sich an Präsident Putin ein Beispiel nehmen. Mehr kann ich über die Lage in der Ukraine nicht sagen, da ich nicht über genügend Kenntnis verfüge.“
„Meine Freunde und ich haben keine Schuld.“
Da ist sie dann wieder diese Vorsicht. Vor allem in Hinblick auf den russischen Präsidenten, der ja noch zehn Jahre an der Macht bleiben könne und einmal gesägt hätte, er wolle nicht lebenslang Präsident sein: „Er hat zehn Jahre über meine Freilassung nachgedacht. Seine Entscheidung wird hoffentlich nicht als Fehler betrachtet“, fügt der Begnadigte mit feiner Ironie hinzu.
Die Zeit im Russland nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sei kein Kinderspiel gewesen: „Aber mir gegenüber hat man die Spielregeln härter angewendet. Meine Familie hat man menschlich behandelt. Die Spielregeln haben mir gar nicht gefallen.“ Er sei nicht nach Berlin gekommen, um eine politische Rede zu halten. Aber eines hebt Michail Chordokowski klar hervor: Ein Schuldeingeständnis habe nie zur Debatte gestanden. „Meine Freunde und ich haben keine Schuld. Also konnten wir auch nichts eingestehen.“ Er wolle seinen „Yukos“-Konzern nicht zurück und er habe auch nicht vor, ins Geschäftsleben zurückzukehren: „Meine finanzielle Situation zwingt mich nicht dazu.“
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).