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Friedliche, freie und erfolgreiche Wahlen

von Jérôme Cholet · 15. Juni 2009
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Bis in den Morgen feierten Anhänger der von den Vereinigten Staaten und Saudi Arabien unterstützten "Koalition des 14. März" ihren Sieg. Schon vor Bekanntgabe der endgültigen Wahlergebnisse fuhren sie hupend durch die Straßen Beiruts, Feuerwerke erhellten den Nachthimmel der Hauptstadt.

Denn schon früh zeichnete sich ab: Die Extremisten haben verloren, die Pragmatiker gewonnen. Die Allianz von Saad Hariri aus sunnitischen Muslimen, Drusen und Christen konnte 71 der 128 Parlamentssitze auf sich vereinen, das Oppositionsbündnis von Hisbollah, schiitischen Muslimen und christlichen Parteien erhielt nur 57 Mandate. Die pro-westliche Allianz lag in der Gunst der Wähler vorn, die von Iran und Syrien unterstützte Koalition um die Hisbollah hatte verloren. Im Vorfeld der Wahl war davon ausgegangen worden, dass sich ein Großteil der Christen mit der Hisbollah verbünden würde. Letzte Umfragen sahen die Allianz vorn. Doch am Ende reichte es nicht zu einem Regierungswechsel.

Hohe Wahlbeteiligung

Mehr als 52 Prozent der 3,2 Millionen Wahlberechtigten waren an die Urnen gegangen, die höchste Wahlbeteiligung seit 1975. Doch im Libanon wird entlang religiöser Bindungen und familiärer Beziehungen gewählt, dabei verfügt jede Gruppe über eine Quote, 64 Sitze des Parlamentes sind Muslimen vorbehalten, weitere 64 Christen. Sunniten und Schiiten können dabei jeweils 27 Abgeordnete stellen, Drusen und Alawiten erhalten acht bzw. zwei Sitze. Auf Seiten der Christen gehen 34 Sitze an die Maroniten, 14 an die Griechisch Orthodoxen, acht an die Katholiken, sechs an die Armenier und zwei für andere christliche Minderheiten. Nach dem Bürgerkrieg zwischen 1975 und 1990 sollte ein Konsens-System den Frieden sichern, doch häufig ist das libanesische System genau dadurch blockiert. Wahlen sind noch immer heikel.

Mehr als 50.000 Polizisten und Soldaten hatten die Wahlen abgesichert, etwa 200 ausländische Beobachter den ordnungsgemäßen Ablauf kontrolliert. Auch der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter war vor Ort und gab sich sehr zufrieden: "Wir gratulieren den Libanesen und der Wahlbehörde, die Abstimmung verlief ordnungsgemäß und ohne Zwischenfälle. Besonders zu loben ist, dass das Ergebnis von allen Seiten anerkannt wurde."

Hisbollah akzeptiert Niederlage

Denn die Hisbollah, die von Groß Britannien und den Vereinigten Staaten von Amerika als Terrororganisation eingestuft wird, ist im Libanon auch politische Bewegung und akzeptierte überraschend widerstandslos die eigene Niederlage an der Wahlurne. "Ich gratuliere den Gewinnern, denjenigen in der Mehrheit aber auch in der Opposition," sagte Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah.

Keine Seite warf der anderen Wahlbetrug vor. Noch im Mai vergangenen Jahres hingegen, war es wegen unvereinbarer politischer Gegensätze zu schweren Kämpfen in Beirut gekommen. Milizen von Regierung und Opposition lieferten sich Auseinandersetzungen mit Raketenwerfern und Maschinengewehren bis auf Vermittlung der Arabischen Liga eine Allparteienregierung geschaffen wurde. Der Hisbollah wurde ein Veto-Recht eingeräumt. Denn nicht die staatliche Armee, sondern sie ist die stärkste militärische Kraft im Land.

So vermied Wahlsieger Saad Hariri auch jeden Hochmut: "Diese Wahlen kennen weder Sieger noch Verlierer. Einziger Gewinner ist die Demokratie und vor allem der Libanon." Die internationale Gemeinschaft ist erleichtert. Mit der gemäßigten Regierung ist erst einmal von Ruhe an der Grenze zu Israel auszugehen. Die Amerikaner werden ihre Wirtschaftshilfe aufrechterhalten.

Um den Libanon aber regierbar zu halten, müssen alle Kräfte mit ins Boot genommen werden. Als nächstes kommen aber die Regierungsverhandlungen. Hariri kündigte an, die Hand weit nach der Hisbollah ausstrecken zu wollen. Es ist davon auszugehen, dass die Partei diesmal wesentlich schwächer sein wird und ihr Veto-Recht verliert. Jedoch wird sie weiterhin mitreden, eine Entwaffnung lehnte ihr Führer Hassan Nasrallah im vornherein ab.

Das Wahlsystem des Libanons hat sich ganz der Konsensschaffung verschrieben, dadurch ist die Regierungsbildung schwer. Die Hisbollah ist umstritten, im Süden des Landes regiert sie quasi wie ein Staat im Staat. Die politischen Parteien definieren sich nicht über Programme, sondern werden entlang von Religions- und Familienzugehörigkeiten gewählt. Aber angesichts von mehr als fünfzehn Jahren Bürgerkrieg und den Unruhen vor einem Jahr ist der Ruck von den Extremisten zu den Pragmatikern schon ein kleiner Lichtblick für das geschundene Land und seine Menschen. Wie es jemals zu fortschrittlichen Reformen kommen soll, ist allerdings unklar.

Autor*in
Jérôme Cholet

arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.

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