"Frieden braucht Entwicklung - Entwicklung braucht Frieden"
Unterschiedliche Vorstellungen von Entwicklung existierten selbst in der Bundesregierung, berichtete der Staatssekretär im BMZ, Erich Stather in seinem einführenden Beitrag. Er stellte kurz
die Arbeit seines Ministeriums vor. Dabei riss Stather auch das Thema Afghanistan an. Offen räumte der politische Beamte ein, dass er das Übergewicht militärischer Kräfte gerne zu Gunsten ziviler
Aufbaumaßnahmen verschieben würde. Nach fünf Jahren Präsenz empfinde die einheimische Bevölkerung die internationalen Truppen zunehmend als Besatzer. Kritik übte Stather an der Bundeswehr, der es
in Afghanistan nicht gelungen sei, selbst Sicherheitsstrukturen aufzubauen. "Wir müssen uns überlegen, wie wir in Afghanistan weitermachen." Der Staatssekretär machte dabei keinen Hehl aus seiner
Überzeugung:
Auf Grund der labilen Lage und der fehlenden Autorität der Regierung werde die Staatengemeinschaft nicht umhin kommen, Gespräche mit Teilen der Taliban zu führen. "Kurt Beck sieht das
übrigens genauso", fügte Stather hinzu.
Als erfolgreiches Konzept wertete der Vertreter des Ministeriums den deutschen Friedensfachdienst, der rund um den Globus zum Einsatz kommt. 350 bis 450 ausgebildete Fachkräfte versuchten in
Krisenregionen wie auf dem Balkan, nachhaltig bei Konflikten zu vermitteln und an deren friedlichen Lösung mitzuwirken. Mit seinen Ausführungen bestätigte Stather die Einschätzung der Jusos, die
von Anfang an den Aufbau eines zivilen Friedensdienstes unterstützt haben.
"Konflikte wird es immer geben, die Frage ist deshalb, wie wir verhindern, dass die Akteure sie gewaltsam austragen", hob Moderator und taz-Journalist Dominic Johnson hervor. In den folgenden
drei Panels setzten sich die Diskutanten mit Ursachen und Wirkungen gewaltsamer Konflikte, Krisenprävention und Maßnahmen zur Friedenskonsolidierung auseinander. Ein IUSY-Jubiläumsteilnehmer wies
auf Verantwortung der G8-Staaten hin, die Waffen im Austausch gegen Rohstoffe, zum Beispiel Öl, Diamanten oder Gold, in Krisengebiete lieferten und damit Kriege anheizten.
In der Diskussion kamen mehrere wichtige Punkte zur Sprache: So hat sich laut der stellvertretenden Vorsitzenden des Freiwilligenprogramms der Vereinten Nationen, Joyce Yu, die Art der Kriege
verändert. Früher standen sich Staaten als Feinde gegenüber, heute finden bewaffnete Konflikte zunehmend innerhalb von Ländern statt. Als Folge sei die Zivilbevölkerung im steigenden Maß betroffen
von kämpferischen Auseinandersetzungen. Immer mehr erwiesen sich Umweltbedingungen und die Auswirkungen der Klimakatastrophe als Ursache für Konflikte. Die Vertreter von Parteistiftungen, Hilfs-und
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, in der Diskussionsrunde informierten über ihre Arbeit und Ansätze. Die Bedeutung der EU und UNO für Entwicklung und Frieden betonte der
stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) im Europäischen Parlament, Jan Marinus Wiersma. Er nannte die Einigung Europas ein integratives Modell, das anderen
Kontinente als Vorbild dienen könne. Der niederländische Europaabgeordnete bekannte sich zur Verantwortung der EU. Nach seiner Meinung gehört zu einer zivil-militärischen Strategie des Europäischen
Parlaments auch die Übernahme von "robusten" Soldateneinsätzen: "Wir können nicht nur reden und den anderen das Unangenehme überlassen." Für ihn ist die Stärkung des internationalen Rechts eine der
wichtigen Aufgaben. Den Aufbau des internationalen Strafgerichtshofs hielt Wiersma daher für einen wichtigen Meilenstein.
Im Lauf der Konferenz bekräftigten einige Teilnehmer die Notwendigkeit, den Menschen in Krisenregionen die Instrumente in die Hand zu geben, Konflikte selbst friedlich zu lösen. Wie Joyce Yu
(UNV) schilderte, richtet sich ihr Programm auch an junge Führungskräfte in den Krisengebieten. Grund: Sie hätten Einfluss auf Kinder und Jugendliche. "Als Multiplikatoren können sie die Jungen für
den Frieden gewinnen."
Mit ihr einig war Vuyiswa Tulelo: Die stellvertretende Vorsitzende der Nationalen Jugendkommission Südafrika sprach sich mit eindrucksvollen Worten dafür aus, der Jugend eines Landes eine
Chance zu geben und sie am Neuaufbau eines Landes zu beteiligen: "Es darf nicht sein, dass man 85-Jährigen die Entscheidung über eine Zukunft überlässt, die sie selbst nicht mehr erleben werden."
Am Ende hatte die Afrikanerin die Lacher auf ihrer Seite: Sie erzählte, wie schwierig es gewesen sei, ein Visum für Deutschland zu erhalten. Mehrere Erklärungen ihres Ehemanns waren nötig, bevor
sie nach Tagen die Genehmigung für die Reise nach Berlin erhielt.
Carsten Höllein
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