International

Frankreich verlangt mehr Engagement in Afrika

von Lutz Hermann · 21. September 2014

"Wir holen für die Europäer in Afrika die Kastanien aus dem Feuer!“ So hat ein Berater von Präsident Francois Hollande krass das militärische Vorgehen gegen die islamistischen Terroristen in Nord-Mali umschrieben. Die Bemerkung  soll das Pariser Bedauern ausdrücken, die EU-Partner würden sich nicht gerade um Unterstützung der Franzosen in dem westafrikanischen Staat streiten.

Der sozialistische Staatschef muss die Trommel noch lauter rühren. Frankreich verteidigt in Mali auch die Interessen Europas“. Hätten französische Kampfflugzeuge das Vorrücken der Extremisten vor drei Wochen nicht gestoppt,  wären sie in die Hauptstadt Bamako ohne geringsten Widerstand einmarschiert. Der 50. Jahrestag des Deutsch-Französischen Vertrages gab Hollande genug Anlass, die Deutschen nachdrücklich um Beistand zu bitten. Berlin reagierte mittlerweile mit zwei Transall-Transportmaschinen, Ausrüstung, Uniformen und Stiefeln. Millionenbeträge sollen der Versorgung malischer Flüchtlinge zu Gute  kommen.

Keine Rolle als Gendarm mehr

Es ist unstrittig, dass Frankreich als  ehemalige Kolonialmacht von Mali, Niger, Elfenbeinküste und im Tschad sowohl die Mentalität der Menschen als auch den radikalen Einfluss zersplitterten Politgruppen am besten kennt. Immer  wieder mussten die Franzosen in Schwarzafrika militärisch eingreifen, um Zivilisten, Regime und auch ihre Rohstoffinteressen zu schützen.

Auch im benachbarten Niger, wo in Arlit die Abbaugebiete für Natururan liegen, das Frankreich unbedingt für seine 56 Atommeiler braucht, fürchtet Francois Hollande das Eingreifen der Pick-up-Kolonnen der Extremisten. Der "Gendarm Afrikas" macht im Ausland die Runde. Hollande will mit diesem bösen Urteil aufräumen. Der Grande Nation Neokolonialismus vorzuwerfen, wenn es allein in Bamako 6.000 Landsleute zu schützen hat, wird als unfair empfunden.

Die Regierung in Paris legte europäischen EU-Mitgliedern ein klares Konzept für ein freies Mali vor.
1. Phase: Das Vorrücken der Kolonnen vor Bamako  stoppen.
2. Phase: Gegen die Islamisten mit aller Härte vorgehen und sie aus strategisch wichtigen Städten (Gao, Tombuktu) vertreiben.
3. Phase: Demokratische Verhältnisse, Verwaltung und Versorgung wieder herstellen. Dabei sollen zuerst Frankreich und Deutschland für eine zügige Ausbildung der  malischen Soldaten sorgen. “Hilfe zur Selbsthilfe“ heißt es in Bamako.

"Wir kämpfen doch für Europa!"

Die Gefahr besteht, dass die Islamisten mit ihren Verbündeten einen Graben- oder Stellungskrieg suchen. Frankreich allein kann in dem weiträumigen Wüstengebiet nicht für eine Eindämmung des Terrorismus sorgen. Deshalb begrüßt die ehemalige Kolonialmacht die Aufstellung einer gesamtafrikanischen Eingreifarmee, die islamistischen Kämpfern keine Bewegungsspielräume überlässt. Der Konflikt kann sich aber über Monate hinziehen. Neue Terroranschläge wie jene auf das algerische Ölförderfeld sind durchaus möglich. In den großen Industrieanlagen in Afrika sind die Sicherheitskräfte alarmiert.

Will Europa in Afrika präsent bleiben, so die französischen Sozialisten, muss es in engster Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen vor Ort geschehen. Heute ist Mali eine Krisenregion, morgen kann es Mauretanien, Niger oder Algerien sein. Dass Frankreich auch für Europa kämpft, dürfte unbestritten sein.

Für Berlin kann sich folgende Frage stellen: Können sich die Deutschen auf  logistische Unterstützung beschränken oder müssen sie eines Tages auch Kampftruppen schicken? SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist dabei, sich außenpolitisch versierter zu machen. Hier ist ein Feld, vor den Toren Europas, das eine nüchterne Analyse und ein klares Engagement verdient.

Autor*in
Lutz Hermann

ist Auslandskorrespondent in Frankreich für verschiedene Tageszeitungen und Autor mehrerer politischer Bücher, u. a. „Willy Brandt – ein politisches Porträt“ (1969).

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