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Fordern, nicht freundlich fragen: PES-Frauen treffen sich in Lissabon

Antworten auf die Frage, wie Frauen Macht nicht nur gewinnen, sondern diese tatsächlich auch besitzen können, suchten Mitglieder der Frauenvereinigung der Sozialdemokratischen Partei Europas am Donnerstag in Lissabon. Unsere Autorin Julia Korbik war dabei.
von · 1. Dezember 2017
Keine Angst vor dem Wort „Feminismus“: In Lissabon stellen sie die sozialdemokratischen Frauen der PES neue auf.
Keine Angst vor dem Wort „Feminismus“: In Lissabon stellen sie die sozialdemokratischen Frauen der PES neue auf.

Ein Nachmittag Ende November in Lissabon. Die Sonne scheint, es ist mild. Wer das Hotel in der Nähe des Parque Eduardo VI  betritt und die Treppe in den ersten Stock hochgeht, könnte meinen, er sei auf einer Feier gelandet: Frauen fallen sich in die Arme, stoßen mit Wassergläsern an und begrüßen sich mit einem „You look gorgeous“, du siehst großartig aus. Überall Sprachen- und Stimmengewirr, lebhafter Austausch und Wiedersehensfreude. Doch es liegt auch ein Hauch von Rebellion in der Luft, bei dieser jährlichen Konferenz der „PES Women“, der Frauenvereinigung der Sozialdemokratischen Partei Europas (PES). „From Gaining to Owning Power“ lautet das Thema des Treffens – es soll also darum gehen, dass Frauen Macht nicht nur gewinnen, sondern diese tatsächlich auch besitzen sollen.

Fokus auf Gleichberechtigung

Zita Gurmai, Ungarin und Präsidentin der PES Women, macht in ihrer Begrüßung deutlich, warum der Einsatz für Frauenrecht in ganz Europa so wichtig ist: „Frauenthemen werden in den Hintergrund gedrängt und bedroht.“ Selbst in weit entwickelten EU-Staaten sei man(n) noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Als Beispiele nennt Gurmai Geschlechterstereotype, ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen, die Einschränkung des Abtreibungsrechts, sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt.

Die „PES Women“ haben es sich zum Ziel gesetzt, progressive sozialdemokratische Politik mit einem Fokus auf Gleichberechtigung zu machen. Für Zita Gurmai geht es nun darum, die vielen großen oder kleinen Akte des Widerstands – darunter auch die #MeToo-Debatte – in tatsächliche Politik zu überführen. Erschwert werde das Ganze dadurch, so Gurmai, dass „Gesetze immer noch viel zu oft von Männern für Männer gemacht werden“. Ein kleines Quiz belegt diese Aussage: Die anwesenden Frauen werden aufgefordert, den Frauenanteil in nationalen Parlamenten EU-weit zu schätzen. Antwort: Er liegt bei gerade einmal 22,8 Prozent.

Austausch und Kooperation

Um Frauenrechte europaweit nach vorne zu bringen, das ist den Anwesenden bewusst, braucht es Kooperation und einen Austausch sogenannter „best practices“. Die portugiesische Ministerin für Staatsbürgerschaft und Gleichberechtigung, Rosa Monteiro, berichtet von den in Portugal ergriffenen Maßnahmen. Systemische Gründe für Ungleichheit müssten sichtbar gemacht werden. So würde vermehrt auf die Zusammenarbeit mit Schulen gesetzt, um den Schülerinnen und Schülern Geschlechterstereotype bewusst zu machen. Außerdem gebe es ein spezielles Förder-Programm für Mädchen. „Unsere Arbeit ist ein permanenter Kampf“, sagt Monteiro.

Das kann Celinda Lake nur bestätigen: Die US-Amerikanerin leitet das Lake Research Institute, welches Analysen und Strategien u.a. für politische Kampagnen und Nichtregierungsorganisationen liefert. Die Wahl Donald Trumps, so Lake, habe die enge Verschränkung von Sexismus und Rassismus gezeigt – eine Verbindung, die sie für sehr wichtig hält. Auch auf die Rolle von Frauen bei der letzten Präsidentschaftswahl geht Lake ein: „Die Demokraten haben die Wahl zum Teil wegen der Frauen verloren.“ Die große Mehrheit der älteren, weißen Frauen ohne Uni-Abschluss habe Trump gewählt. Dies sei ein Phänomen, welches sich auch in anderen Ländern beobachten lasse. „Die weibliche Wahlbeteiligung wird in Zukunft noch sehr sehr wichtig werden“, sagt Lake und erkundigt sich scherzhaft, ob es in Portugal vielleicht ein Stipendium für eine geflüchtete amerikanische Feministin gebe.

Fordern, nicht fragen

Überhaupt: Das Wort „Feministin“, oder „Feminismus“. Davor haben die „PES Women“ keine Angst. Es geht ausdrücklich nicht nur um Politik für Frauen, sondern um feministische Politik – und darum, dass auch Männer endlich in die Verantwortung genommen werden müssen. Die Frage, die im Raum steht, ist diese: Wie können die „PES Women“ es schaffen, unter ihren männlichen Politiker-Kollegen ein Bewusstsein für Benachteiligung, für sexuelle Belästigung und Übergriffe zu schaffen? Andrea Scheck, eine junge Schweizer Feministin, die sich in ihrer Heimat bei den Europäischen Jungsozialisten engagiert, macht klar: „Viele Männer, auch in der Politik, sagen uns jungen Frauen: Es kann ja gar nicht sein, dass du jeden Tag Belästigung erlebst. Wir jungen Frauen fühlen uns dadurch sehr entmutigt, besonders dann, wenn wir noch neu in der Politik sind.“

Entmutigt wirken die „PES Women“ nicht. Im Gegenteil: Sie geben sich kämpferisch und entschlossen, mehr Politik von Frauen für Frauen zu machen. Denn, wie Andrea Scheck sagt: „Wir müssen fordern – und nicht freundlich nach Veränderungen fragen.“

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