Die Wahlbeteiligung lag mit 55,3 Prozent etwas höher als in der ersten Runde der Wahlen vor zwei Wochen. Damit geht ein blasser, konturloser Wahlkampf zu Ende, bei dem, wie man in Polen scherzt, die beiden Kandidaten manchmal nur durch den Schnurrbart zu unterscheiden waren.
Gesiegt hat dabei die PO, zumindest für den Moment: Mit Donald Tusk als Ministerpräsident und Bronislaw Komorwski als Präsident besetzt sie jetzt die beiden höchsten politischen Ämter im Staat und stellt die meisten Minister in der Koalitionsregierung mit der Bauernpartei (PSL). Ministerpräsident Tusk steht damit am Gipfel seiner Macht.
Staatsschulden und Gesundheitssystem als Herausforderung
Die Bürgerinnen und Bürger haben ihm mit der Wahl des Tusk treuen Komorowskis ihr Vertrauen ausgesprochen und erhoffen sich von der neuen Doppelspitze vor allem eines: Stabilität - insbesondere in Richtung Europa. Doch trotz dieser Machtfülle stehen die Konservativen mit liberalen Anstrich vor schwierigen Herausforderungen: Bisher konnte Tusk stets auf einen blockierenden Präsidenten verweisen, der mit seinem Vetorecht Gesetzesinitiativen und Reformvorhaben zu Fall brachte. Nun, mit Komorowski an der Spitze, muss die PO ihre Wahlversprechen halten und wichtige Reformen anpacken: Die Staatsschulden reduzieren, den polnischen Haushalt sanieren und das marode Gesundheitssystem erneuern.
Dabei stehen viele unpopuläre Entscheidungen an, die der Bürgerplattform bei den kommenden Parlamentswahlen im nächsten Jahr viele Stimmen kosten können. Reformen allerdings sind unvermeidlich. Packen Tusk und seine Getreuen die anstehenden Aufgaben nicht an, verprellen sie ihre Wähler ebenfalls.
Auch aus der eigenen Partei droht dem neuen Doppel Ärger: Die Bürgerplattform, die im wesendlichen ein Tusk-Wahlverein ist und viele politische Strömungen umfasst, stand bisher geschlossen zusammen, um die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Diese Notwendigkeit entfällt nun. Flügel- und Machtkämpfe werfen ihren Schatten voraus. Das Amt des Sejm-Marshalls, das Bronislaw Komorowski bisher inne hatte, muss neu besetzt werden. Grzegorz Schetyna, Fraktionsvorsitzender und ehemaliger stellvertretender Regierungschef, der im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der sogenannten Glücksspielaffäre von Tusk geopfert wurde, hat sich dafür in Stellung gebracht.
Genau wie Ewa Kopacz, im Moment Gesundheitsministerin im Kabinett Tusk. Außerdem ist unklar, ob der Koalitionspartner bei der Stange bleibt, zumal der Kandidat und Vorsitzende der Bauernpartei
in der ersten Runde der Wahlen ein niederschmetterndes Ergebnis erhalten hat.
Überraschungserfolg bei den Sozialdemokraten
Obwohl nicht als Sieger, so geht Jaroslaw Kaczynski und damit auch seine Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) gestärkt aus dieser Präsidentschaftswahl hervor. Entgegen aller Prognosen konnte er fast die Hälfte aller Stimmen auf sich vereinigen. Das festigt nicht nur seine Position als Vorsitzender innerhalb der Partei, sondern bietet der PiS auch eine gute Ausgangslage für die Parlamentswahlen, zu denen sie als zweit stärkste Kraft antritt.
Auch das sozialdemokratische Lager gehört zu den Gewinnern dieser Wahl. Mit 13,4 Prozent gelang Grzegorz Napieralski, dem Kandidaten vom Bund der Demokratischen Linken (SLD), im ersten Wahlgang ein Überraschungserfolg, mit dem sich der SLD als zukünftiger Koalitionspartner für die PO empfiehlt. Denn Napieralski war es gelungen, sich während des Wahlkampfes von seinen konservativen Konkurrenten abzuheben und vor allem junge Wähler zu mobilisieren, die sonst nicht zur Wahl gegangen wären.
In der zweiten Runde buhlten Komorowski und Kaczynsky um diese Stimmen und um eine Wahlempfehlung von Napieralski. Doch der Sozialdemokrat vermied es, sich für einen der verbleibenden Kandidaten auszusprechen. Vielmehr erinnert er den neuen Amtsinhaber nach seiner Wahl an die Versprechen, die er im Endspurt des Wahlkampfes gegeben hat.
Napieralski fordert unter anderem, dass nach den Sommerferien die unterbezahlten Lehrer eine angemessene Gehaltserhöhung bekommen und bis zum Ende des Jahres lange Wartezeiten in Krankenhäusern der Vergangenheit angehören. Interessant ist auch das Stimmverhalten der SLD-Wähler. Ersten Umfragen zu Folge ist die Hälfte derer, die zuvor für Napieralski gestimmt haben gar der zweiten Wahlrunde fern geblieben.
Von denen, die wählten, votierten 70 Prozent für Komorowski und 30 Prozent für Kaczynski. Die Sozialdemokraten haben jetzt die Chance, ihr Profil in der Opposition zu schärfen, inhaltliche Debatten anzustoßen und damit eine echteAlternative zum konservativen Lager zu bieten.
Komorowskis Sieg ist damit vor allem eines: Eine Bewährungsprobe für den liberalen Flügel der PO rund um Donald Tusk. Er muss seinen Worten jetzt Taten folgen lassen. Verpasst er diese Chance
ist der Zenith seiner Macht bald überschritten und die Opposition, sowohl in Form der Sozialdemokraten als auch auf Seiten der PiS, kann ihre neugewonnene Stärke bald in Wahlgewinne ummünzen.