International

Ein Neustart für Europa

von Anina Kühner · 7. September 2013

Wie sieht die Zukunft Europas aus? Welche Rolle spielt dabei die Industriepolitik? Und wie kann sich Deutschland bei der Bewältigung der Euro-Krise sinnvoll einbringen? Diesen Fragen stellten sich am Freitag in Mannheim sozialdemokratische Spitzenpolitiker und Wissenschafter aus Deutschland und der EU.

Bis auf den letzten Platz war der Gustav-Mahler-Saal im Mannheimer Rosengarten am Freitagabend besetzt. Die „Socialists & Democrats“ (S&D), die sozialdemokratische Fraktion des Europaparlaments, hatte im Rahmen ihrer internationalen Veranstaltungsreihe „Relaunching Europe“ dazu eingeladen, über einen europäischen Neustart zu diskutieren. Im Fokus sollte vor allem die Industriepolitik stehen.

Peter Kurz, SPD-Oberbürgermeister von Mannheim, begrüßte seine Gäste mit einem Verweis auf die Tradition seiner Stadt als Industriestandort. Unternehmen von Weltrang wie BASF oder SAP, die ihre Heimat in der Rhein-Neckar-Region haben, seien ein gutes Beispiel dafür, dass europäische Industriepolitik schon auf kommunaler Ebene anfinge und sich nicht von ihr trennen ließe, erklärte Kurz. Gleichzeitig betonte er, dass künftig verstärkt staatliche Investitionen in Forschung und Innovation nötig seien.

Investitionen in Forschung und Innovation

Schon lange fordern die europäischen Sozialdemokraten eine Offensive zur Bereitstellung von Forschungsmitteln und Fördergeldern, die Wissenschaft und Innovation zugute kommen. Denn die EU hinkt im globalen Wettbewerb hinterher: Während Europa laut UNESCO nur 1,8 Prozent seines Bruttoinlandproduktes (BIP) in Forschung und Entwicklung investiert, sind es beispielsweise in den USA 2,7 Prozent. Japan gibt 3,4 Prozent seines BIP zu Innovationszwecken aus.

Darauf nahm auch Hannes Swoboda, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Bezug. Er betonte, dass Europa sich selbst als Standort im globalen Wettbewerb stärken und als Einheit begreifen müsse. Mit Blick auf die schwarz-gelbe Bundesregierung kritisierte Swoboda, es sei viel versprochen, aber nichts gehalten worden. „Was wir in Europa brauchen, sind keine Sonntagsreden, sondern handlungswillige Politiker.“, erklärte er und lobte in diesem Zusammenhang die klare europapolitische Linie Peer Steinbrücks.

„Deutschland kann als Vorbild dienen“, führte Swoboda aus. Von der Unternehmenskultur und den Strukturen der deutschen Wirtschaft könnten andere EU-Staaten lernen. Es gehe aber auch darum, Unterschiede als Bereicherung zu begreifen und sich auf Augenhöhe zu begegnen.

Die Leidenschaft für den europäischen Gedanken“

Peer Steinbrück griff diesen Gedanken in seiner Rede zur Krise in Europa auf. Mit Blick auf die Historie der Staatengemeinschaft sagte er: „Wir haben zu lange den Fehler gemacht, Europa nur als Wirtschaftsraum zu betrachten. Die Leidenschaft für den europäischen Gedanken ist dabei abhanden gekommen“. Es fehle eine europäische Erzählung, die die Menschen erfasse.“

Man müsse als deutscher Politiker auf nationaler Ebene den Bürgern besser vermitteln, dass Frieden und Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland nur durch die Solidarität der europäischen Partner habe erreicht werden können, führte Peer Steinbrück weiter aus. Die schwarz-gelbe Bundesregierung vergesse dies, wenn sie durch ihren rigiden Sparkurs insbesondere den südeuropäischen Staaten die Luft abschnüre.

Dabei sei Europa nur als solidarische Gemeinschaft im globalen Zeitalter wettbewerbsfähig, hob Peer Steinbrück hervor. „Primäres Interesse eines deutschen Politikers muss sein, dass es den anderen europäischen Ländern genauso gut geht wie uns.“ Dies erreiche man durch höhere EU-Investitionen in Bildung und Innovation ebenso wie durch die Stärkung des Europäischen Parlaments.

Auch Unternehmen in der Pflicht

In der abschließenden Podiumsdiskussion hob Reiner Hoffmann, Landesbezirksleiter der IG Bergbau, Chemie und Energie hervor, dass neben der Politik auch die Unternehmen in der Pflicht seien, in Europa Verantwortung zu übernehmen. „Großkonzerne müssen begreifen, dass Arbeitnehmer kein Kostenfaktor sind, sondern der Motor der Innovation“, betonte Hoffmann. Nur so könne man den Menschen vermitteln, dass ein gesamteuropäischer Arbeitsmarkt ihre Lebensbedingungen positiv beeinflusse.

Stephanie Blankenburg, Dozentin für Wirtschaft an der SOAS University of London, stimmte Hoffmann zu. Es könne nicht sein, dass Großunternehmen staatliche Eingriffe nur dann begrüßten, wenn sie der Gewinnmaximierung dienten, erklärte sie. Hier müsse sich die europäische Politik stärker durchsetzen.


Weitere Informationen zur Veranstaltungsreihe „Relaunching Europe“ der S&D:

http://www.relaunchingeurope.eu/

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Anina Kühner

studiert Germanistik und Buchwissenschaften in Mainz. Im Sommer 2012 absolvierte sie ein Praktikum beim vorwärts.

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