Die neue gefährliche Macht der Populisten in den USA
nina berman / NOOR/laif
Der Demagoge Donald Trump hat es geschafft, Menschen wieder für das politische Geschehen zu begeistern, die sich schon lange verabschiedet hatten. Er gibt den Ohnmächtigen wieder eine Perspektive und viel wichtiger eine Stimme. Immer mehr weiße Amerikaner haben Abstiegsängste, sie befürchten, dass ihnen Afroamerikaner, Latinos und asiatische Einwanderer den Rang ablaufen. Auch Amerikas Position in der Welt scheint gefährdet.
Befremdlicher Nationalismus
Trump verstärkt diese Ängste, gibt aber den starken Führer, der einfache Lösungen für komplizierte Probleme anbietet, um zunächst hispanische Einwanderer und globale Herausforderer wie China in die Schranken zu weisen. Obwohl die meisten Probleme Amerikas hausgemacht sind, gibt Trump anderen die Schuld: Einwanderern oder Wettbewerbern. Er schürt negativen Nationalismus, weil er seine Anhänger und Amerika gegen andere definiert.
Dieser Nationalismus befremdet, insbesondere Amerikas Freunde in der westlichen Welt. Das sollte nicht beschwichtigt und mit der Person Donald Trump abgetan werden, der – so hofft man hüben wie drüben – nach der Wahl wieder von der politischen Bühne verschwinden wird. In den Medien hierzulande wird Trump gern als Trottel dargestellt, der es sogar nötig habe, in Befragungen seine Anhänger um Hilfe zu bitten, um herauszufinden, mit welchen Themen und Argumenten er sich am besten gegen Hillary Clinton schlagen könne.
Dass wichtige Reden und Debatten unter Fokus-Gruppen getestet und auf die Präferenzen der Zielgruppen abgestimmt werden, ist jedoch gang und gäbe in der amerikanischen Politik. Es ist auch wenig überraschend, dass vor allem ein Populist wie Trump „dem Volk aufs Maul schaut“ und sich als derjenige gibt, der den wahren Volkswillen repräsentiert.
Mobilisieren von Nicht-Wählern
Durch seine sogenannten Umfragen gibt Trump seinen Anhängern umso mehr das Gefühl, dass er, anders als die etablierten Politiker, ihre Bedürfnisse wirklich ernst nimmt. Damit kann er auch jene für sich mobilisieren, die sich schon längst aus der Politik verabschiedet hatten.
Trump hat es viel besser als seine Mitstreiter im Lager der Republikaner verstanden, wie unzufrieden seine Landsleute mit dem Establishment sind und was sie bewegt. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und Popularität als Reality-TV-Star weiß er, wie man Menschen emotional anspricht, die weniger wohlhabend und gebildet sind und sich von den Eliten nicht ernst genommen fühlen. Wenn er etwa sagt, dass er „Amerika wieder groß machen“ wolle, dann bedient er ein Minderwertigkeitsgefühl vieler weißer Amerikaner, die sich ängstigen, sozial abzusteigen und sich von beiden Parteien im Stich gelassen fühlen.
Wenn Clinton Trump nun als Deppen hinstellt, der nicht gut genug sei, um Amerika zu führen, dann spielt sie ihm in die Karten. Indem sie Trump, etwa durch herablassendes Belächeln in den Fernsehduellen, zu erniedrigen versucht, provoziert sie die von Trump gewünschte Solidarisierung seiner Anhänger gegen die abgehobenen Eliten und die etablierte Politik – also auch gegen sich selbst.
Fronten verhärten sich
Verfügte Hillary Clinton nur über einen Bruchteil der seinerzeit von ihrem Ehemann Bill gezeigten Empathie („I feel your pain“), wäre die Sache gelaufen. Aber wegen ihrer mangelnden sozialen Kompetenz könnte es nochmal eng werden. Selbst wenn Trump am 8. November die Wahl gegen Clinton verlieren sollte, wird Amerika die Geister, die er rief, so schnell nicht mehr loswerden.
Wir sollten uns darauf einstellen, dass in den USA die gesellschaftlichen Gräben noch tiefer werden und sich die politischen Fronten verhärten. Die soziale Spaltung und politische Blockade wird die Demokratie der westlichen Führungsmacht weiter unter Druck setzen und auch Europa und die Welt beeinträchtigen. Je mehr die USA mit sich selbst beschäftigt sind, desto weniger können sie ihre globale Ordnungsfunktion wahrnehmen.
Überdies besteht die Gefahr, dass innerer Unfrieden auch Aggression nach außen bewirkt. Kann eine friedlich-liberale Weltordnung bestehen, wenn der Hegemon, der sie erhalten soll, nicht mehr so liberal ist?