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Die Farce einer Wahl in einem endlosen Krieg

von Jörg Armbruster · 3. Juni 2014

In dem kriegszerstörten Syrien lässt sich Präsident Bashar al Assad wieder zum Präsidenten wählen. Widersacher hat er keine, auch der Westen hält still.

Fast 10 Millionen Syrer am Rande oder unter der Armutsgrenze, also ständig bedroht von Krankheit und Unterernährung. Darunter 5,5 Millionen Kinder, die meisten traumatisiert, viele ohne Eltern und Lehrer, ohne Zuhause, ohne Schutz. Regelmäßig zur Schule gehen können kaum noch welche. Eine Generation von Analphabeten droht heranzuwachsen. 6,5 Millionen Flüchtlinge, die im eigenen Land umherirren, entwurzelt, die meisten abgeschnitten von jeder Hilfe, ständig der Gefahr ausgesetzt zwischen die Fronten zu geraten. Angriffe mit Fassbomben, mit Chlorgas, mit Raketen und Bomben gehören zum Alltag dieser Menschen, genauso wie Entführungen, willkürliche Hinrichtungen, Folter auf der Seite jener, die angeblich für ein besseres Leben kämpfen. Extremisten geben auf beiden Seiten inzwischen die lautesten Kommandos in diesem Bürgerkrieg.

Von jenen, die fliehen konnten, landen wenige Glückliche in einem der restlos überfüllten Flüchtlingslager, die meisten müssen sich ohne fremde Hilfe in den Gastländern durchschlagen. In Jordanien zum Beispiel leben 80 Prozent der syrischen Flüchtlinge nicht in Lagern sondern in irgendeinem Keller, in schäbigen Unterkünften oder gleich auf den Straßen der Städte und versuchen, als billige Tagelöhner und, wenn es ganz schlimm kommt, auch als Prostituierte zu überleben. Die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr hat heute keiner mehr. Fast drei Millionen sind es in Ländern wie Jordanien, Libanon, der Türkei oder dem Irak.

Diese Wahl ist eine Farce

Das ist die Kulisse, vor der der syrische Präsident Bashar al Assad seine sichere Wiederwahl inszeniert. Totsicher gewissermaßen; denn das tägliche Töten geht weiter auch am Wahltag, der Bürgerkrieg legt keine Pause ein. Braucht er auch nicht; denn Assad hat keinen ernstzunehmenden Gegenkandidaten. Er hat schließlich angeordnet: wer nicht mindestens 10 Jahre ununterbrochen im Land gelebt hat, darf erst gar nicht antreten. Mit dieser Bestimmung im Wahlgesetz hat das Regime die gesamte Opposition ausgeschlossen. Abgestimmt werden kann ohnehin nur in dem von Assad und seiner Armee kontrollierten Teil des Landes: Die Opposition nennt die Wahl eine Farce. Wohl zu recht; denn das in Katar ansässige „Arabische Zentrum für Forschung und Politische Studien“ hat in Umfragen herausgefunden, dass auch die große Mehrheit der Flüchtlinge in Ländern wie Jordanien oder Libanon die Präsidentenwahlen als „nicht rechtmäßig“ einstuft.

Schiiten-Unterstützung für Assad

Militärisch war Assad seit dem vergangenen Jahr vergleichsweise erfolgreich. Immerhin ist es ihm gelungen, Rebellenverbände zur Räumung von Städten wie Homs zu zwingen, außerdem hat seine Armee dank der Unterstützung durch die Schiitenmiliz Hisbollah aus dem Libanon die gebirgige Region entlang der libanesischen Grenze zurückerobert, damit Damaskus abgesichert und den Rebellen wichtige Nachschubwege abgeschnitten. Unterstützt durch den Iran und die Waffenlieferungen Russlands kontrolliert Assad heute ein fast zusammenhängendes Gebiet von Damaskus über Homs und entlang der libanesischen Grenze bis zum Mittelmeer einschließlich der mehrheitlich von Alawiten bewohnten Provinz Latakia.

Das von den Rebellen eroberte Gebiet dagegen ist weitestgehend unter den verschiedenen Fraktionen aufgeteilt und fragmentiert ohne gemeinsame Verwaltung und so gut wie ohne gemeinsame militärische Planung. Der Krieg zwischen Rebellengruppen um Land, Ressourcen und Bodenschätze wie Öl scheint zwar erst einmal abgeflaut zu sein, dafür hat die ISIS (Islamischer Staat im Irak und in Syrien) in dem von ihr kontrollierten Gebiet im Osten des Landes ein djihadistisches Schreckensregime eingerichtet.

Exilopposition hat zu wenig Einfluss im Land

Ein Grund für diese Assad in die Hände spielende Entwicklung: nach wie vor ist es der Exilopposition nicht gelungen, entscheidenden Einfluss auf die politischen und militärischen Entwicklungen in Syrien selber zu nehmen. Der für das Carnegie-Center arbeitende Politikanalyst Yezid Sayigh analysiert das Versagen der in der Türkei ansässigen Nationalen Koalition so: „Die Nationalkoalition war bisher unfähig glaubwürdige politische Führung und Strategien zu entwickeln und war bisher nicht in der Lage effektive Verwaltungsstrukturen in den befreiten Gebieten von Syrien einzurichten und dort selber permanent anwesend zu sein.“ Das schrieb er im April 2014. Ziemlich genau ein Jahr zuvor war er zu einem ähnlich vernichtenden Urteil über die Leistung der Exilopposition gekommen. „Die machen teure Konferenzen in teuren Hotels. Für uns tun sie nichts!“ Auf diese einfache Formel bringen Syrer in den Rebellengebieten die Arbeit ihrer Landsleute im Exil.

Assad spekuliert auf die Angst des Westen vor radikalen Islamisten

Kein Wunder also, dass sich Assad in Damaskus auf der Siegerstraße fühlt. Die Präsidentenwahl ist für ihn keine Kurskorrektur sondern allenfalls ein bisschen Kosmetik. Sie soll sein Image aufpolieren und Legitimität vortäuschen. Schließlich versucht er schon seit längerem, dem Westen seinen Krieg als einen Krieg gegen einen islamistischen Terrorismus  schmackhaft zu machen, der letztendlich auch Europa und die USA bedrohe; denn er weiß, dass der Westen mit großer Unruhe den Aufmarsch der  Heiligen Krieger auf der Rebellenseite beobachtet. Und es wäre nicht das erste mal, dass  er am Ende Sicherheitsfragen über Menschenrechtsfragen stellt.

Darauf spekuliert Assad, der glaubt diesen Krieg in ein paar Monaten beenden zu können. Unabhängige Analysten widersprechen ihm allerdings heftig. Sie sagen, diesen Krieg kann keine der Kriegsparteien gewinnen. Und wenn er einmal beendet sein wird, dann wird es mindestens dreißig Jahre dauern, bis das Land wieder aufgebaut ist.

 

Autor*in
Jörg Armbruster am Stand des vorwärts-Verlags auf der Frankfurter Buchmesse.
Jörg Armbruster

war langjähriger ARD-Korrespondent für den Nahen Osten.

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