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"Die Banken haben Kreide gefressen"

von Fréderic Verrycken · 28. April 2010
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Seit Januar 2010 müssen Anlage­beratungen protokolliert werden, so hatte die Große Koalition im letzten Jahr entschieden. Was haben die Verbraucher davon?

Die Beratungsprotokolle haben wir gegen Widerstand der Union durchgesetzt. Damit sollen Verbraucher die Gründe, die für und gegen ein Anlageprodukt sprechen, in Ruhe nachvollziehen können. Bei Falschberatung soll das Protokoll helfen, Ansprüche gegen die Bank durchzusetzen. Protokolle sollten aber vergleichbar und verständlich für Verbraucher sein. Wir fordern, dass dafür gemeinsam mit Verbraucherschützern und Banken ein einheitliches Muster erarbeitet wird. Aber Schwarz-Gelb bleibt hier untätig. Dementsprechend sind die ersten Erfahrungen keine guten. Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zeigt: Die Protokolle weisen enorme Lücken auf. Und die Produkte werden von den Anbietern nicht so erklärt, dass der Einzelne sie auch versteht.

Welche zusätzlichen Rechte hat der Verbraucher seit Anfang des Jahres gegenüber den Banken?

Wesentlich ist, dass die Verjährungsfrist beim Verkauf von Anlageprodukten verlängert wurde. Statt nur drei Jahre können Verbraucher nun bis zu zehn Jahre lang Schadensersatz wegen Falschberatung geltend machen. Und mit dem Beratungsprotokoll haben Kunden endlich etwas Schriftliches vorliegen. Das hilft auch im Fall einer Klage. Bisher gab es oft nur ein Gespräch, und dann wurde das Produkt gekauft.

Haben die Banken aus den Lehren der Finanzkrise gelernt?

Die Banken haben zwar Kreide gefressen. Nach wie vor wird aber auf die Mitarbeiter der Banken enormer Druck ausgeübt, bestimmte Produkte zu verkaufen. Der Nutzen für den Kunden ist da ganz klar nachrangig. Das berichten übereinstimmend Verbraucherzentralen und Gewerkschaften. Von einer Kehrtwende kann also keine Rede sein. Ein großes Problem sind auch die Provisionen bei Vertragsabschlüssen. Nach wie vor ist nicht sichergestellt, dass der Kunde auch das für seine Zwecke optimale Produkt bekommt, wenn der Bankberater für ein anderes Produkt eine viel höhere Provision einstreichen kann. Deshalb wollen wir auch unabhängige Beratungen stärken - etwa so genannte Honorarberatungen. Der Berater bekommt in dem Fall keine Provision für den Vertragsabschluss, sondern wird vom Kunden direkt für das Beratungsgespräch bezahlt.

Der Bankenverband hat sich nun dazu entschlossen, für Anlageprodukte so genannte "Beipackzettel", also leicht verständliche Informationsblätter, zu erstellen. Was ist davon zu halten?

Damit können sich Verbraucher vor Vertragsabschluss einen Überblick über die Produkte verschaffen. Bei dem enormen Angebot an verschiedensten Finanzprodukten erleichtern Beipackzettel die Auswahl, wenn ich als normaler Anleger zehn bis 15 000 Euro anlegen will. Sie müssen aber verständlich, vergleichbar und einheitlich sein. Die Kosten müssen dort klar beziffert werden, und das Ganze sollte nicht mehr als zwei Seiten umfassen. Natürlich bewegen sich die Banken jetzt, weil sie eine gesetzliche Regelung fürchten. Aber freiwillige Rege­lungen reichen nicht - das muss auch Ministerin Aigner einsehen. Sie lobt die Initiative vollmundig als wichtigen Schritt zur besseren Aufklärung der Kunden. Da stehen aber nach wie vor Dinge drin wie "Die Kursentwicklung des Zer­tifikats und die Höhe der Auszahlungen hängen von der Entwicklung des Basiswertes ab". Das versteht doch kein Mensch! Dass Frau Aigner das als Erfolg bezeichnet, kann doch wohl nicht sein.

Reichen die Initiativen der schwarz-gelben Koalition und speziell von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner zum Schutz der Bank­kunden aus?

Die reichen überhaupt nicht. Wir nennen Frau Aigner schon die Ankündigungsministerin. Alle 14 Tage hat sie
eine neue Ankündigung. Sie soll Taten zeigen und dabei nicht immer auf das Prinzip Freiwilligkeit setzen.

Elvira Drobinski-Weiß: "Ein großes Problem sind die Provisionen der Bankberater bei Vertragsabschlüssen." Mehr Informationen unter www.elvira-drobinski-weiss.de und www.spdfraktion.de

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Fréderic Verrycken

Chefredakteur der DEMO, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf

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