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Das Ende der Herrschaft weißer Männer

von Birgit Güll · 11. März 2010
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Nicolas Sarkozy, Silvio Berlusconi, Wladimir Putin: alles Politiker, die ihre Macht gerne öffentlich demonstrieren. Doch woher rührt ihr Bedürfnis nach Zurschaustellung von Macht und Männlichkeit, die doch am ehesten als Panik interpretiert werden muss? Und welche Folgen hat diese Betonung von männlicher Überlegenheit? Solchen Fragen widmet sich Ute Scheub in "Heldendämmerung".


"Sozialabeit in Uniform"?

"Die Globalisierung hat billigen Frauen begrenzten Zugang zum Arbeitsmarkt gebracht", so Uta Scheub. Die Konsequenz: Statusangst auf Seiten der Männer. Damit beginnt, was Rolf Pohl als "kollektives Ringen um Männlichkeit" bezeichnet. Der Professor für Soziologie und Sozialpsychologie diskutierte mit Ute Scheub darüber, dass die in die Krise geratene Männlichkeit sich nirgendwo besser wiederfinden lasse als beim Militär. Schließlich wurde dort über Jahrhunderte ein "herkulanisches Männerideal", wie Scheub formuliert, kultiviert. - Frauen waren selbstverständlich ausgeschlossen.

Ein höherer Frauenanteil beim Militär, wie er häufig gefordert wird, würde daran allerdings nichts ändern. Darin waren die Gesprächspartner sich einig. Und der propagierte "Staatsbürger in Uniform" widerspreche der Logik des Militärs, unterstrich Phol. An dieser Diskrepanz kranke die deutsche Bundeswehr seit ihrer Wiederbewaffnung. Inzwischen sei sie "eine weltweit operierende Interventionsarmee, die bereit ist, Kriege zu führen." Damit orientiere sie sich wieder stärker am Bild des Kriegers. Bei Kampfeinsätzen, wie dem aktuellen in Afghanistan, sei "militarisierte Männlichkeit" am Werk, keine "Sozialarbeit in Uniform", so Pohl.

Initiationsriten in Mittenwald

Nach wie vor sind männliche Opfer in unserer Gesellschaft tabu. Diese Rolle sei weiblich besetzt, betonte Ute Scheub. Das mache auch den Umgang mit Kriegstraumatisierten, wie sie derzeit aus Afghanistan zurückkommen, so schwierig, meinte Pohl. Deshalb würde diesen häufig eine Persönlichkeitsstörung attestiert. Nur eine Opferrolle besetzten Männer freiwillig, so der Sozialpsychologe: jene des Opfers von Frauen. Denn darauf lasse sich mit den altbewährten Mitteln der Männlichkeit reagieren. Womit Ute Scheubs Ausgangsthese wohl bestätigt wäre.

Und nun? Nur Friedenspolitik könne der Schlüssel sein, betonte Pohl. An den militärischen Strukturen würde sich wohl nichts zu ändern. Ute Scheub rät zudem zu "Bündnissen mit progressiven Männern". Auf dem Podium herrschte Einigkeit. Eine andere Sprache sprechen hingegen Demonstrationen von Männlichkeit wie die aktuellen Vorfälle bei den Bundeswehr-Gebirgsjägern in Mittenwald: rohe Leber und Alkoholexzesse als Initiationsriten für Rekruten. Abkehr vom Männlichkeiswahn scheint angesichts solcher Vorkommnisse ebensoweit entfernt wie Geschlechtergerechtigkeit.

Ute Scheub: "Heldendämmerung. Die Krise der Männer und warum sie auch für Frauen gefährlich ist", Pantheon Verlag, München, 2010, 400 Seiten, 14,95 Euro, ISBN 978-3-570-55110-3

Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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