Ziel der Konjunkturpakete von Schwarz-Rot war, die negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise abzufedern. Die Wirtschaft sollte vor Absatzeinbrüchen geschützt und Arbeitsplätze beibehalten werden", erklärte Mara Kuhl auf der Veranstaltung "Krise als Chance - wird sie genutzt?", ausgerichtet von der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Gewerkschaft ver.di. "Doch Frauen haben von der Stützung der Wirtschaft nur in geringem Maße profitiert."
Vom Nutzen der Abwräckprämie profitieren Männer
Die Wissenschaftlerin hat die drei Einzelmaßnahmen "Abwrackprämie", "Kurzarbeitergeld" und "Deutschlandfonds" auf gender-spezifische Auffälligkeiten analysiert.
Die
Abwrackprämie hatte zum Ziel, die Fahrzeugflotte zu modernisieren und den Absatz der deutschen
Automobilindustrie zu sichern. Private Autobesitzer sollten dabei besonders bevorzugt werden. Die Abwrackprämie konnte daher nicht für Busse der ÖNPV oder für die Fahrzeuge mobiler Pflegedienste
in Anspruch genommen werden. Da doppelt so viele Männer als Frauen ein Auto besitzen und zwei Drittel der Männer ein Auto nutzen, haben diese bevorzugt von der Abwrackprämie profitiert. Kuhl:
"Der Nutzen der Abwrackprämie war vor allem Männern vorbehalten." Außerdem habe, so Kuhl, keine andere Branche eine derartige Hilfe erhalten. "80 Prozent der Arbeitenden in der Autoindustrie sind
Männer. Somit sind Nutzer wie Beschäftigte in der Mehrzahl Männer. Beide Gruppen haben von der Prämie profitiert."
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Wissenschaftlerin Kuhl beim
Kurzarbeitergeld. 80% des Kurzarbeitergeldes sei in
"Männerarbeitsplätze" investiert worden, insbesondere in der verarbeitenden Industrie. Gleichzeitig habe es keine Zuschnitte auf typische Formen der Beschäftigung von Frauen gegeben. Das
Kurzarbeitergeld wurde eingeführt, um Arbeitsplätze finanziell zu fördern und die Beschäftigung der Menschen in den betroffenen Branchen zu sichern. Doch dieses Ziel habe einseitig die Sicherung
von männlichen Berufen im Blick gehabt. "Arbeitsplätze von Frauen erhielten keinen Krisenschutz", so Kuhl. "Als Maßstab des Kurzarbeitergelds diente das traditionelle Ernährermodell des
männlichen Alleinverdieners."
Männer als Gestalter in der Krise
Der
"Deutschlandfonds", aus welchem gefährdeten Unternehmen Kredite und Bürgschaften, gewährt werden sollten, entpuppe sich bei
genauer Betrachtung, so Kuhl, ebenfalls als männerdominiertes Feld. So seien die wichtigen Gestalter der Krise ausschließlich Männer gewesen. Erst nach dem Regierungswechsel sei eine Frau in die
entscheidungsrelevanten Gremien eingezogen. Gleichzeitig seien lediglich die homogenen, westdeutschen Wirtschaftsinteressen präsentiert gewesen. Die Interessen und der Sachverstand von Frauen,
gerade aus nicht-männlich dominierten Wirtschaftsbranchen und aus Ostdeutschland seien in der Krisengestaltung nicht gefragt gewesen.
Daher das vernichtende Fazit der Gender-Expertin: Die Konjunkturpakete haben zu Benachteiligungen von Frauen dominierten Branchen, etwa im Pflegebereich, geführt und Rollenbilder
verfestigt. Auch die Beteiligungsdefizite von Frauen in Entscheidungsprozessen seien überdeutlich zu Tage getreten.
Zu einseitig und auf Männer fixiert
"Die Konjunkturpakete sind viel zu einseitig auf die männliche Zielgruppe und deren Arbeitsverhältnisse angewandt worden. Traditionelle gesellschaftliche Leitbilder wie jenes des männlichen Alleinverdieners und das Festhalten an überkommenen Strukturen haben in der Krise vor allem die Männer begünstigt", so Kuhl.
Zum Thema "Krise als Chance - wird sie genutzt? Potentiale von Konjunktur- und Sparprogrammen für Gemeinwohl und Geschlechtergerechtigkeit" veranstaltete das "Forum Politik und Gesellschaft" der Friedrich-Ebert-Stiftung und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) eine Podiumsdiskussion mit Experten und Vertretern der Gewerkschaften bzw. Politik. Neben Experten wie der Gender-Expertin Dr. Mara Kuhl und der ehemaligen Stadtkämmerin Dr. Cornelia Heintze analysierten Matthias Lindner von der Verdi-Bundesverwaltung - Bereich Genderpolitik und der stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel, Konjunktur- und Sparpakete aus Sicht der Gewerkschaften bzw. der Politik.