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Buhrufe und stehende Ovationen

von ohne Autor · 1. September 2014
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Die französischen Sozialisten präsentierten sich bei ihrem Parteitag am Wochenende in La Rochelle so gespalten wie schon lange nicht mehr. Regierungschef Valls musste die Risse kitten, die sich mit der Bildung der neuen Regierung vergangene Woche aufgetan hatten.

 Als Manuel Valls im weißen, offenen Hemd an das Rednerpult tritt, wird er ausgebuht. Der Regierungschef hat das erwartet: Am Sonntag beim traditionellen Treffen der französischen Sozialisten in La Rochelle hebt er sofort beschwichtigend die Hände. Die Proteste kommen von den hinteren Rängen. Dort, wo die Parteilinke sitzt, die in der vergangenen Woche von Valls und Präsident François Hollande praktisch kaltgestellt wurde. Erst kam der Abgang ihrer drei Galionsfiguren, der Minister Arnaud Montebourg, Benoît Hamon und Aurélie Filippetti. Dann wurde Montebourg als Wirtschaftsminister ausgerechnet von dem bekennenden Wirtschaftsliberalen Emmanuel Macron ersetzt, der sich auch noch für eine Aufweichung der 35-Stunden-Woche aussprach. Und am Mittwoch zeigte Valls sich als Unternehmerfreund, als er beim Treffen des Arbeitgeberverbandes Medef das Geständnis ablegte: „Ich liebe die Unternehmen".

Viel Stoff für die Gegner der Politik des Premierministers, der zum Abschluss des Parteitags in La Rochelle an der Atlantikküste nun versuchen muss, die zerrissene Partei hinter sich zu scharen. Wird er sich doch im September oder Oktober in einer Vertrauensabstimmung im Parlament stellen. Dabei riskiert er Gegenstimmen aus den eigenen Reihen. Die Frondeurs, jene rund 100 Rebellen, die eine Abkehr von der  sozialdemokratischen Linie à la Gerhard Schröder fordern, haben sich schon bei früheren Abstimmungen zum Teil enthalten. Und sie haben mit dem Abgang des linken Ministertrios neuen Auftrieb erhalten. 

„Ich liebe die Sozialisten"

Deshalb bemüht sich Valls um Einigkeit. „Achten wir auf die Auswahl der Worte, unsere Einstellungen, unser Verhalten, die Art, wie wir uns an andere richten“, mahnt der müde wirkende 52-Jährige, dessen Beliebtheitswerte in den vergangenen Monaten einbrachen. Der Parteilinken sichert er zu: „Die Dauer der Arbeitszeit wird nicht hinterfragt." Doch von seinem Engagement, die Unternehmen des Landes wettbewerbsfähiger zu machen, will Valls in seiner einstündigen Rede nicht abrücken. Auch wenn die Erwähnung des Verantwortungspaktes, der die Unternehmen um 40 Milliarden Euro entlastet, neue Buhrufe erzeugt. „Wir haben die Wahl getroffen, auf den Mangel an Wettbewerbsfähigkeit zu reagieren."

Emmanuel Macron, den umstrittenen Architekten des Verantwortungspaktes, erwähnt der Regierungschef  nicht mit Namen. Dafür besänftigt er seine Parteigenossen nach seiner Liebeserklärung an die Unternehmer mit dem Bekenntnis: „Ich liebe die Sozialisten." Zum Schluss sind dem gebürtigen Spanier stehende Ovationen sicher. Mögliche Buhrufe gehen in der Parteitagsregie unter, die direkt nach der Rede laute Musik einspielt.

Neue Bewegung der Parteilinken

„Es war eine gute Rede", muss der „Frondeur" Laurent Baumel hinterher eingestehen. Doch auch seine Parteilinke feiert ihre Erfolge in La Rochelle. So hebt sie am Samstag die Bewegung „Vive la gauche" (Es lebe die Linke) aus der Taufe. Hunderte Anhänger versammeln sich im überfüllten Hörsaal der sprachwissenschaftlichen Fakultät, darunter Justizministerin Christiane Taubira, die wie ein Rockstar empfangen wird. „Vor den Ungleichheiten, die die Gesellschaft zerklüften, dem Klimaschock, den Exzessen der Finanzwelt und dem Drama der Arbeitslosigkeit, sind unsere Antworten nicht die der Rechten", heißt es in einem gemeinsamen Appell. „Der Applaus des Medef ist nicht das Kriterium unseres Erfolgs."

Wie viel Einfluss die Frondeurs haben, wird sich bei den Abstimmungen im Herbst zeigen. Allerdings riskieren die Parteilinken viel, wenn sie sich der Regierungslinie verweigern. Wenn Valls bei der Vertrauensfrage keine Mehrheit bekommt, muss das Parlament aufgelöst werden. Und bei Neuwahlen wird die PS nicht mehr stärkste Partei werden. Die knapp 14 Prozent bei den Europawahlen waren ein Vorgeschmack auf das, was auf die Genossen zukommen könnte. Deshalb mahnte Präsident Francois Hollande jüngst in der Zeitung „Le Monde": „Das Urteil 2017 wird über den Präsidenten, die Regierung und die Parlamentsmehrheit gefällt. Nur zusammen haben wir Erfolg."

 

 

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