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Brexit: Großbritannien zwischen Rebellion und „Cherrypicking“

Zwei Jahre ist es her, seit die Briten für den Brexit stimmten. Auch heute ist noch vieles offen. Wo stehen wir?
von Johanna Schmeller · 22. Juni 2018

Am 23. Juni 2016 stimmte die britische Bevölkerung für einen Austritt aus der EU. 52 Prozent der Briten waren dafür, 48 Prozent dagegen. Ein denkbar knappes Ergebnis.

Und auch zwei Jahre nach dem Austritt gibt es noch kein Abkommen, das das weitere Verhältnis zum Kontinent regelt. Das allerdings scheint nun am dringendsten nötig: Erst kürzlich warnte das britische Finanzministerium vor Lebensmittelknappheiten und Preiserhöhungen für den Fall eines unkoordinierten Austritts.

„Mehr als nur ein Binnenmarkt“

„Die EU ist mehr als ein Binnenmarkt“, sagt Michael Roth, Staatsminister des Auswärtigen Amtes, bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Zukunft Europas. Roth beschreibt Europa als „eine Werte- und Solidargemeinschaft, die wir Tag für Tag mit Leben füllen, indem wir Wirtschafts- und Sozialpolitik zusammenbinden – zu einer sozialen Marktwirtschaft.“

Der Brexit wird die Zukunft dieser Solidargemeinschaft maßgeblich bestimmen. Kapitalfreiheit, Dienstleistungsfreiheit, freier Güterverkehr und Arbeitnehmerfreizügigkeit sind die Säulen des EU-Binnenmarktes.

Harter Ausstieg und eigene Handelsabkommen

Großbritannien hatte seine Grenzen ohne Übergangsfristen und damit früher als andere EU-Länder für Arbeitsmigration geöffnet – eine Entscheidung, die Brexit-Befürworter instrumentalisierten.

Die britische Regierung ist momentan weiter auf dem Kurs eines harten Brexits mit Ausstieg aus Zollunion und Binnenmarkt. Rund 60 Brexit-Anhänger im konservativen Lager drohen Premierministerin May immer wieder offen mit Revolte.

Brexit-Befürworter argumentieren zudem damit, dass es Großbritannien freistehen müsse, eigene Handelsabkommen mit Ländern wie China, Indien und den USA abzuschließen.

Kirschen pflücken statt hartem Ausstieg

Die Opposition, die Labour-Partei, arbeitet sich unterdessen in Richtung eines weichen Brexits vor. Eine Mitgliedschaft in der Zollunion fordert sie bereits.

Ein Rücktritt von der Arbeitnehmer-Freizügigkeit ohne sonstige wirtschaftliche Nachteile wäre manchen nun die liebste Lösung – also nicht nur ohne Zollschranken, Staus an den Grenzen und andere logistische Handelshemmnisse, sondern auch unter gleichzeitiger Fortfürhrung von Datenaustausch und gemeinsamer Verbrechensbekämpfung. "Cherry picking", Kirschen pflücken, nannte die (auch britische) Presse diese Verhandlungsstrategie.

Deutsche Politik blickt nach vorn

„Ich habe den Brexit bedauert“, sagt Vizekazler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz dem Berliner Sender Inforadio. „Aber jetzt, wo er da ist, müssen wir schauen, wie das zusammen klappt.“

Am 29. März 2019 tritt Großbritannien offiziell aus der EU aus. Die deutsche Politik richtet den Blick nach vorn: „Wenn wir über die EU sprechen, muss unsere Perspektive erst einmal eine der dann 27 sein“, so Scholz. Nach allen Fortschritten in der Integration werde man dies nun nicht aufgeben.

 

 

 

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