International

Auf der Krim wird es brenzlig

von Jörg Hafkemeyer · 27. Februar 2014

Das ukrainische Parlament hat Arseni Jazenjuk zum neuen Regierungschef gewählt. Er steht vor schweren Aufgaben. Das Land steht vor dem finanziellen Ruin und auf der Halbinsel Krim droht ein Bürgerkrieg auszubrechen.

Am Tag, an dem das ukrainische Parlament eine Übergangsregierung des nationalen Vertrauens wählt, überschlagen sich die Nachrichten aus dem schwer gebeutelten Land. Viktor Janukowitsch, der per Haftbefehl wegen Massentötungen gesucht wird, hat von der russischen Regierung Asyl erhalten, nachdem er sich Hilfe suchend an sie gewendet hatte. Russland hält mit seinen Streitkräften an der Grenze zur Ukraine Manöver ab und hat Teile seiner Luftwaffe in Kampfbereitschaft versetzt. In der Hauptstadt der autonomen Region Krim, Simferopol, haben vermummte, bewaffnete Männer das Parlament besetzt, die ukrainische Fahne eingeholt und die russische gehisst. Aus der Hafenstadt Sewastopol wird eine Art Belagerungszustand gemeldet.

Nichts an diesen Nachrichten ist richtig gut und keine von ihnen bringt die Ukraine ein Stück voran. Der geflohene Präsident, der Russland um Hilfe und für sich Asyl erbat, fühlt sich von den neuen Kräften in Kiew bedroht, hält sie für Putschisten und Faschisten und betrachtet alle Beschlüsse des Parlaments als rechtswidrig. Er liegt da ziemlich auf einer Linie mit dem offiziellen Moskau. Das hat entlang seiner Westgrenzen, unter anderem auch zur Ukraine, mit einer umfänglichen Militärübung begonnen. Die deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen bestätigte zwar, dass diese Manöver kurzfristig angemeldet worden sein, doch sieht auch sie, wie die NATO in Brüssel, das als Muskelspiel an, das nicht zufällig sei. Dennoch wird in Berlin wie in Brüssel auf einen politischen Dialog gesetzt.

Konflikt um die Krim

Viel anderes bleibt auch nicht übrig, da niemand davon ausgeht, dass die Russen in der östlichen Ukraine einmarschieren werden. Brenzliger, auch für die neue Regierung in Kiew unter dem Übergangspremier Arseni Jasenyuk, ist die Situation auf der Krim. Die Halbinsel wird von nur 24 Prozent Ukrainern, 13 Prozent Krimtataren und 60 Prozent Russen bewohnt. Letztere haben, anders als die Ukrainer und die Tartaren, überhaupt keine Sympathien für die Opposition auf den Maidan-Plätzen von Lemberg und Kiew. Sie sind pro-russisch und haben das in den vergangenen Tagen immer wieder gezeigt. Für Moskau ist die Halbinsel im Schwarzen Meer, die seit 60 Jahren zur Ukraine gehört, historisch und strategisch von sehr großer Bedeutung.

Im Hafen von Sewastopol liegt die russische Schwarzmeerflotte. Sie ist der größte Arbeitgeber der Stadt. Der kommandierende Admiral hat die Sicherungskräfte bereits erheblich verstärkt. Die russische Mehrheit in der Stadt hat den von Kiew eingesetzten Bürgermeister just zu dem Zeitpunkt gestürzt und sich mit Alexej Tschaly einen neuen aus ihren Reihen ausgesucht, als in Kiew der Präsident gestürzt wurde. Nirgendwo ist der Konflikt in der Ukraine zwischen Russen und Ukrainern schärfer als auf der Krim.

Übergangsregierung vor schweren Aufgaben

Das ist dem neuen Premierminister Arseni Jazenjuk von der Vaterlandspartei und seiner ab morgen übergangsweise regierenden Mannschaft nur zu bewusst. Der 39jährige Ökonom und Jurist soll die Ukraine zusammenhalten. Das Land bricht finanziell zusammen. Es braucht dringend Geld. Das kann er nur von der EU, dem IWF und aus Russland bekommen. Auch daher muss er sich mit Moskau verständigen und einen Bürgerkrieg auf der Krim verhindern. Das sind schon in ruhigeren Zeiten nicht einfach zu lösende Probleme. Hinzu kommt, dass die Maidanbewegung den „Neuen“ genau auf die Finger schaut. Von außen wie von innen. Der Kommandant des Protestlagers auf dem Maidan, Andrej Parubij, soll Chef des Sicherheitsrates werden. Dimitri Bulatow, der Auto-Maidan-Anführer, Sportminister.

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

0 Kommentare
Noch keine Kommentare