vorwärts-online: Der jüngste Anschlag auf die Bundeswehr hat gezeigt, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan deutlich verschlechtert hat. Wie müssen Bundeswehr beziehungsweise NATO darauf reagieren? Sind mehr Soldaten nötig?
Hans-Peter Bartels: Die Aufgabe der Nato ist es, in Afghanistan ein sicheres Umfeld für den zivilen Aufbau zu schaffen. In den letzten Monaten hat aber stattdessen die Unsicherheit zugenommen, auch in und um Kabul herum und im deutschen Nord-Sektor des Landes. Von Pakistan haben sich aus sich die Taliban offenbar neu formiert. Dagegen hilft im Moment nur mehr ISAF-Präsenz auf den Straßen, bessere Ausbildung von mehr afghanischen Sicherheitskräften, kein Zurückweichen vor dem fanatischen Terror gegen die Bevölkerung. Allerdings ist auch eine einheitlichere Strategie von USA und NATO nötig: Es gibt zu oft zivile Opfer, das ist Wasser auf die Mühlen der Extremisten.
Die Nato erwägt derzeit den Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen, die größtenteils von Bundeswehrsoldaten betreute werden. Ist ein solcher Einsatz sinnvoll und im Rahmen der Afghanistan-Mandate möglich?
Ich hätte da selbst noch einige Fragen. Warum ist das jetzt nötig? Geht es um die Nato-Mission ISAF oder die etwas undurchsichtige OEF-Mission in Afghanistan. Werden damit andere Kräfte abgelöst oder zusätzliche Fähigkeiten aufgebaut?
Laut Medienberichten verlassen viele Offiziersanwärter die BW vorzeitig, auch die Zahl der Freiwilligen geht offenbar deutlich zurück. Der Bundeswehrverband führt dies auf die wachsende Gefahr des Afghanistan-Einsatzes zurück. Was ist zu tun?
Dass Auslandseinsätze mit Gefahr Verbunden sind, wissen die Soldaten. Da ist sicher nicht der Hauptgrund für die beginnenden Personalprobleme der Bundeswehr. Gravierender wirken sich jetzt der demographische Wandel und die immer noch am Arbeitsmarkt spürbare gute Konjunktur aus. Dazu kommt, dass bei der Bundeswehr schlechter bezahlt wird als etwa bei der Polizei. Und Spezialisten wie Pilote, Ärzte und IT-Leute werden immer öfter in den besser dotierten zivilen Bereich abgeworben. Wir brauchen also über kurz oder lang ein Attraktivitätsprogramm für den Dienst in unsreren Streitkräften. Das heißt schlicht: Mehr Geld für das Personal.
Interview: Karsten Wiedemann
Redakteur bei vorwaerts.de bis September 2009, jetzt Redakteur bei Neue Energie, dem Magazin des Bundesverbands für Windenergie