Abspaltungen gefährden Europa: SPD sollte Position gründlich abwägen
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Der Streit um die Unabhängigkeit Kataloniens ist kein unbekannter und Spanien wird alles daran setzen, eine Unabhängigkeit der Teilregion zu verhindern. Dabei ist Katalonien kein europäischer oder gar spanischer Einzelfall. Allein in Spanien gibt es eine Vielzahl von Regionen, die autonomer oder gar unabhängig sein wollen. Die Narben, welche durch die Terrororganisation der Basken entstanden sind, schmerzen weiter und sind nicht verheilt. Darüber hinaus gibt es in ganz Europa viele Regionen, die derzeit gespannt auf Katalonien, aber auch immer wieder nach Nordirland und Schottland, schauen. Als internationalistische Sozialdemokraten sollten wir nie den Blick auf diese Regionen verlieren, aber sehr vorsichtig bei den Rückschlüssen sein.
Minderheiten brauchen Schutzzonen
Klar ist, dass wir aus unserer Überzeugung heraus des Selbstbestimmungsrecht der Menschen unterstützen, welche unterdrückt werden oder gar in Angst und Schrecken leben müssen. Daher müssen wir auf eine Unabhängigkeit der Kurden anders blicken, als beispielsweise auf die der Schotten. Der Hintergrund ist relativ einfach: Überall dort, wo Minderheiten verfolgt und unterdrückt werden, können selbstverwaltete Schutzzonen auch eigene Staaten sein, in denen sie frei von der Unterdrückung der alten Mehrheitsgesellschaft und weiteren altstaatlichen Repressionen leben können. Überall dort aber, wo der Wunsch nach Unabhängigkeit aber einen rein nationalistischen Charakter hat und die Repression fehlt, müssen wir als Antinationalisten vorsichtig bis eher ablehnend sein.
Wir dürfen kein Sprachrohr nationalistischer Bewegungen und Forderungen sein. Darüber hinaus könnte die Unterstützung von eben jenen separatistischen Wünschen Sprengstoff innerhalb der Europäischen Union und eine weitere Schwächung eben jener sein. Katalonien und Schottland wären keine Mitglieder der EU mehr und würden auch keine mehr werden. Gerade die Wirtschaftskraft Kataloniens würde Spanien und der EU fehlen. Im Balkan gibt es genug Regionen, welche ebenso unabhängig sein oder anderen Staaten angehören wollen. Weitere kritische Regionen könnten in Zypern, Italien, Osteuropa und sogar in Skandinavien entstehen. Überall dort gibt es zumindest Regionen mit dem Wunsch nach mehr Autonomie. Selbst im Hinterhof des Europäischen Parlamentes gibt es Forderungen nach einer Unabhängigkeit von Belgien. Eine erfolgreiche Abspaltung Kataloniens könnte daher Wind in den Segeln vieler Regionen und leider auch von Organisationen, welche ihre Forderungen notfalls mit Waffengewalt durchsetzen würden, sein.
Dialog statt Abspaltung
Die Unterstützung all jener autonomer oder separatistischer Forderungen könnte eine Verkleinerung der EU zur Folge haben, viele Menschen in ihrer Freizügigkeit behindern und steht dem alten sozialdemokratischen Wunsch der Vereinigten Staaten von Europa zuwider. Wir Sozialdemokraten sollten daher niemals den Blick in diese Regionen verlieren und alles dafür tun, dass es einen Dialog und Frieden gibt. Dabei gilt: Vorsicht mit zu schnellen Rückschlüssen oder gar bei der Unterstützung solcher Forderungen. Der durch Europa wehende nationalistische Wind ist stark genug, um die EU zu schwächen. Forderungen wie die der Katalonen können wir uns derzeit nicht erlauben.