Die Parti Socialiste (PS) und ihre Bündnispartner erzielen erstmals seit 1981 wieder die absolute Mehrheit. Die PS (280 Sitze) und ihre Alliierten, darunter die sozialliberale Parti Radical de Gauche (12 Sitze) und Jean-Pierre Chevènements Mouvement Républicain et Citoyen (3 Sitze) erreichen zusammen 314 Mandate (2007: 204) und damit 25 mehr, als zur absoluten Mehrheit in der 577 Sitze zählenden Assemblée Nationale erforderlich sind. Die bisherige Regierungspartei Union pour un mouvement populaire und ihre Verbündeten kommen nur noch auf 229 Sitze (2007: 320).

Zu einer Dreifünftel-Mehrheit im Kongress reicht es nicht. Erstmals sind die Sozialisten sowohl in der Nationalversammlung als auch im Senat stärkste Fraktion. Eine Dreifünftel-Mehrheit in dem aus beiden Kammern bestehenden Kongress wurde jedoch um 64 Mandate verfehlt. Damit ist eine Verfassungsänderung, wie sie zum Beispiel für die von der PS beabsichtigte Einführung eines Stimmrechts von Ausländern bei Kommunalwahlen erforderlich ist, nur mit Unterstützung der Opposition möglich. Wenn diese ihre Zustimmung verweigert, bleibt noch die Möglichkeit, ein Referendum durchzuführen. 

Grüne gewinnen, Linksfront verliert
Dank der Unterstützung durch die PS steigert die Partei Europe Ecologie-Les Verts die Zahl ihrer Mandate von 4 (2007) auf 17. Damit erreichen die Grünen die angestrebte Fraktionsstärke, für die mindestens 15 Sitze notwendig sind. Demgegenüber kommt die Front de Gauche aus Kommunisten und Parti de Gauche nur noch auf 10 Mandate (2007: 19) und verliert damit ihren Fraktionsstatus.

Die Rechtsradikalen schaffen es ins Parlament, Marine Le Pen bleibt draußen. Erstmals seit 1997 gelangt die Front National (FN)(2 Sitze) wieder in die Nationalversammlung. Auch die rechtsradikale Ligue du Sud erringt einen Sitz. Marion Maréchal-Le Pen, eine Enkelin des Parteigründers Jean-Marie Le Pen, ist mit 22 Jahren die jüngste Abgeordnete in der Geschichte der V. Republik. Marine Le Pen selber unterliegt im zweiten Wahlgang mit 118 Stimmen Rückstand einem Kandidaten der PS.

Wahlenthaltung erreicht historischen Höchststand
In der V. Republik war die Wahlenthaltung 2007 mit 40 Prozent bei Parlamentswahlen bislang am höchsten. 2012 jedoch entscheiden sich in der zweiten Runde sogar 44,6 Prozent, nicht zu den Urnen zu gehen. Die schwache Wahlbeteiligung wirft einen Schatten auf die neue Regierungsmehrheit. Zwar vereinigt die PS in der Nationalversammlung aufgrund des Mehrheitswahlrechts fast die Hälfte der Sitze auf sich, doch erreichte sie im ersten Wahlgang nur 29,4 Prozent der Stimmen. Das entspricht 16,4 Prozent der eingetragenen Wählerinnen und Wähler.    

Frankreichs traditionelles Zwei-Parteien-System geht gestärkt aus den Wahlen hervor. Die zwei großen Parteien der Linken und Rechten, PS und UMP, haben zusammengenommen gegenüber 2007 die Zahl ihrer Mandate in der Nationalversammlung von 524 auf 543 erhöht. Die Grünen auf der linken und die Partei Nouveau Centre auf der rechten Seite des Parteienspektrums verdanken ihren Einzug ins Parlament maßgeblich ihren Allianzen mit einer der beiden Volksparteien. Die zentristische Partei Mouvement Démocratique (Modem) und die rechtsradikale FN, die keinem der beiden Parteiblöcke angehören, sind nur mit je zwei Sitzen vertreten. Selbst der Modem-Vorsitzende und mehrfache Präsidentschaftskandidat François Bayrou unterlag in seinem Wahlkreis. Die teilweise Einführung eines Verhältniswahlrechts, die Fr! ançois Hollande im Präsidentschaftswahlkampf versprochen hat, würde die Vorherrschaft von PS und UMP einschränken.

Taktik des „weder-noch“ der UMP überzeugt nicht
UMP-Generalsekretär Jean-François Copé rief vor dem zweiten Wahlgang die UMP-Wählerschaft zu einem ni–ni (weder-noch) auf. Weder sollten Bündnisse mit der rechtsradikalen FN eingegangen werden, noch sollten UMP-Kandidaten zugunsten eines Sozialisten zurücktreten. Trotzdem können einige UMP-Kandidaten nicht der Versuchung widerstehen, sich der FN zu nähern. Das zahlt sich nicht für sie aus. Vom rechten Flügel der UMP, der über Monate die Themen der Rechtsradikalen vertritt, scheitert etwa die Hälfte der Kandidaten im zweiten Wahlgang. Die politisch-ideologischen Positionen, die Partei und Wählerschaft teilen, sind für die UMP eine große Herausforderung, auf die sie auf ihrem Parteitag im November 2! 012 eine Antwort finden muss.        

Sämtliche Kabinettsmitglieder werden gewählt bzw. wiedergewählt. Bereits vor dem ersten Wahlgang erklärte Premierminister Jean-Marc Ayrault, dass Minister, die ihren Wahlkreis verlören, zurücktreten müssten. Abgesehen von zwei Ministerinnen, die aufgrund ihrer schlechten Erfolgsaussichten nicht zu den Wahlen antraten, sind der Premierminister und alle 24 kandidierenden Regierungsmitglieder erfolgreich. Vor der ersten Zusammenkunft der neu gewählten Nationalversammlung am 26. Juni werden die Minister ihr erkämpftes Mandat niederlegen. Die Ministerin der Grünen Cécile Duflot hat ihren Parlamentssitz bereits einer sozialistischen Nachrückerin überlassen.   

Ségolène Royal verliert gegen sozialistischen Rivalen
Mit nur 37 Prozent der Stimmen erfährt Ségolène Royal in ihrem neuen Wahlkreis eine herbe Niederlage. Um der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin die Aussichten auf die Präsidentschaft der Nationalversammlung zu verbessern, hatte die Parteiführung ihr in La Rochelle einen vermeintlich sicheren Wahlkreis verschafft. Der dortige PS-Vorsitzende des Departements und bisherige Kandidat, Olivier Falorni, weigerte sich jedoch, auf seine Kandidatur zu verzichten und wurde aus der Partei ausgeschlossen.  Er erzielt, auch mit Unterstützung der bürgerlichen und radikalen Rechten, 63 Prozent.

Jack Lang fällt der „schwarzen Liste“ Marine Le Pens zum Opfer. Die Front-National-Vorsitzende Marine Le Pen gab vor dem zweiten Wahlgang keine allgemeine Wahlempfehlung. Sie rief jedoch ihre Anhängerschaft dazu auf, eine Reihe von Kandidaten aus UMP und PS, die ihr aus verschiedenen Gründen missfielen, nicht zu wählen. Dazu gehörte auch der frühere Kulturminister François Mitterrands, Jack Lang, der ebenso wie Ségolène Royal danach strebte, Präsident der Nationalversammlung zu werden. Jack Lang verliert in seinem Wahlkreis im Departement Vogesen gegen einen UMP-Kandidaten knapp mit 49,1 Prozent.

Autor*in
Peter Gey Benjamin Schreiber

Peter Gey ist Leiter des Pariser Büros der FES, Benjamin Schreiber ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Pariser Büro der FES

0 Kommentare
Noch keine Kommentare