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365 Tage Haft: Deniz Yücels Freunde machen mobil

Der Journalist Deniz Yücel sitzt seit einem Jahr in einem türkischen Gefängnis. Anlässlich des Jahrestags seiner Verhaftung am Mittwoch machen seine Unterstützer mobil – nicht nur mit dem fast schon traditionellen Autokorso unter dem Motto #FreeDeniz.
von Paul Starzmann · 14. Februar 2018
Free Deniz
Free Deniz

Deniz Yücel ist nicht alleine. 290 Tage saß der Türkei-Korrespondent der „Welt“ in Einzelhaft im türkischen Gefängnis Silivri. Dann wurde ihm gestattet, tagsüber wenigstens einen Mitgefangenen zu sehen. Die strenge Isolation ist damit vorbei, nicht jedoch die Haft. Die dauert mittlerweile schon ein Jahr.

Berlin: „Korso der Herzen“

Auch im übertragenen Sinn bleibt Yücel nicht alleine: Seit seiner Festnahme am 14. Februar 2017 in Istanbul reißen die Solidaritätsbekundungen aus Deutschland nicht ab. Zum Jahrestag seiner Inhaftierung zeigen Freunde, Aktivisten und Kollegen nun auf verschiedene Art und Weise ihre Unterstützung.

In Berlin findet am Mittwochnachmittag ein „Korso der Herzen“ statt – mit Autos, Mopeds und Fahrrädern soll es dabei durch den Stadtteil Kreuzberg gehen. Autorrundfahrten für Yücel zu organisieren hat Tradition: Seitdem er in Haft sitzt, gibt es für den Fußball-Fan immer wieder Hupkonzerte in deutschen Städten. Sie erinnern an bessere Zeiten – als Yücel in Freiheit lebte und 2010 in der „taz“ zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika die Kolumne „Vuvuzela“ schrieb.

Klappe halten? Daraus wird nichts!

Im Anschluss an den Autokorso wird am Mittwoch in Berlin Yücels neues Buch vorgestellt, das diese Woche erscheint. „Wir sind ja nicht zum Spaß hier“, lautet der Titel. „Es gibt nur einen Grund, Leute wie Deniz Yücel wegzusperren: Man will sie zwingen, endlich die Klappe zu halten", schreibt die taz-Redakteurin Doris Akrap im Vorwort. „Damit klar ist, dass daraus nichts wird, erscheint dieses Buch.“ Bei der Buchpremiere in Berlin lesen Promiente wie Herbert Grönemeyer oder Anne Will einzelne Passagen vor. Der Radiosender „Cosmo“ überträgt die Veranstaltung per Live-Stream auf Facebook und cosmoradio.de.

Auch Yücels aktueller Arbeitgeber, die Zeitung „Die Welt“, will ihrem Korrespondenten in dieser Woche etwas Gutes tun. Die Redaktion ruft dazu auf, Briefe an Yücel ins Gefängnis zu schicken. „Nach welchen Kriterien die Gefängnisleitung Post an ihn weiterleitet, wissen wir nicht mit Sicherheit“, heißt es bei der „Welt“. „Aber es scheint, als hätten Mitteilungen auf Türkisch bessere Chancen, ihren Adressaten zu erreichen.“ Wer Yücel schreiben will, kann seinen Brief an die „Welt“-Redaktion schicken, von wo er übersetzt in die Türkei weitergeleitet wird.

Mehr als 121.000 Unterschriften

Auch im Internet ist die Solidarität für Yücel groß. Unter dem Hashtag #FreeDeniz laufen am Jahrestag seiner Inhaftierung im Sekundentakt Meldungen über Twitter. Bei Facebook will der „Freundeskreis FreeDeniz“ unter dem Motto „Ein Lied für Deniz“ Mut machen: „Welches würdet Ihr für ihn spielen?“, fragt der „Freundeskreis“ in einem Facebook-Post. „Schickt uns hier Eure Songs zum Valentinstag.“ Als erster Song ist darunter ein Lied der New-Wave-Band „Blondie“ gepostet. Der Titel: „Denis“.

Auf der Plattform change.org läuft ebenfalls eine Kampagne für Yücel. Gestartet wurde sie kurz nach dessen Verhaftung im Februar 2017. „Für die Freiheit von Information, Meinung, Wort und Kunst“, lautet die zentrale Forderung. „Gemeinsam für und mit Deniz Yücel und allen zur Zeit in der Türkei inhaftierten Kolleginnen und Kollegen.“ Mehr als 121.000 Menschen haben die Online-Petition bisher unterzeichnet.

Kleine politische Fortschritte

Möglicherweise zeigt der öffentliche Druck inzwischen Wirkung. Zumindest scheint aktuell etwas Bewegung in den Fall Yücel zu kommen – wenn auch nicht juristisch, sondern in kleinen politischen Schritten. Auch ein Jahr nachdem Yücel in Istanbul von der Polizei festgenommen wurde, liegt noch keine offizielle Anklageschrift gegen ihn vor. Am Jahrestag der Verhaftung drängt der geschäftsführende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel deshalb auf ein „schnelles rechtsstaatliches Verfahren“, an dessen Ende aus seiner Sicht nur eine Freilassung stehen könne.

Hoffnung auf ein baldiges Ende der Haft schürt indes der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım: „Ich hoffe, dass er in kurzer Zeit freigelassen wird,“ so der Premier über Yücel in der ARD. „Ich bin der Meinung, dass es in kurzer Zeit eine Entwicklung geben wird.“

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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