Statt einer Strafrechtsverschärfung fordert SPD-Bundesjustizministerin Brigitte Zypries nach dem Münchner S-Bahn-Mord die Länder auf, mehr Geld für Personal und Sicherheit zur Verfügung zu
stellen. Die Länder seien dafür zuständig, Sorge für eine ordentliche Ausstattung in der Jugendhilfe zu tragen, sagte die SPD-Politikerin im Berliner "Tagesspiegel" (Mittwoch). Anstatt dafür
Sorge zu tragen, "dass Jugendliche schnell angeklagt werden und dass eine ausgewogene Strafe dann auch schnell angetreten werden muss", hätten die Länder in den letzten acht Jahren allein 9000
Polizeistellen eingespart.
Fassungslos sei sie, wenn sie sehe, dass einige Bundesländer die Initiative, Sozialarbeiter an Schulen einzustellen, wieder kippen, sagte Zypries: "Das wird einfach nicht weiterfinanziert.
Ich kann so etwas nicht nachvollziehen."
Jugendstrafrecht bietet wirkungsvolle Sanktionen
Entschieden wandte sich Zypries gegen eine Verschärfung des Jugendstrafrechts, wie es derzeit von Unionspolitikern eingeklagt wird. Zypries:" Unser Recht ist ausreichend und die Debatte uralt.
Der Jugendliche denkt ehe er zuschlägt nicht darüber nach, ob er nun zehn oder fünfzehn Jahre Strafe zu erwarten hat."
Auch die Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht lehnte die Justizministerin ab. Ein Tötungsdelikt wie das in München sei ein außergewöhnlicher und seltener Fall. In der Mehrzahl gehe es um
Diebstähle und Drogendelikte. Da biete das Jugendstrafrecht wirkungsvollere Sanktionen, ist Zypries überzeugt.
Während das Erwachsenenstrafrecht nur die Geld- oder die Freiheitsstrafe kenne, könne man im Jugendstrafrecht zu Sozialstunden verurteilen. Zypries: "Ich meine, dass es zielführender ist,
einen 19-Jährigen, der wegen Diebstählen vor dem Richter steht, über Monate jedes Wochenende in einer sozialen Einrichtung mitarbeiten zu lassen. Wenn ich dem eine Geldstrafe auferlege, zahlen
das im Zweifel Eltern oder Großeltern."
Schulabschluss statt Strafverschärfung
Die Aufgabe der Budnesregierung sieht Zypries darin, "die jungen Leute von der Straße holen, damit sich kein Frust aufbaut". Denn, so Zypries, der Anteil der Arbeitslosen bei den jugendlichen
Angeklagten habe sich innerhalb weniger Jahre auf 60 Prozent verdoppelt: "Drei Viertel der Gewalttäter haben keinen oder nur einen niedrigen Schulabschluss. Das sind gesellschaftliche
Rahmenbedingungen, die wir verändern müssen."
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.