Die Bürger zieht es zurück in die Städte. Ihre Ansprüche sind, gemessen am Maßstab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, individueller, sie leben in kleinen Haushalten, verzichten auf das Auto und pflegen urbane Lebensstile.
Ihre Wünsche erfüllt schon lange nicht mehr die perfekte Wohnmaschine in einer Großsiedlung, sondern oft das städtische Haus. Stadtentwicklungspolitik muss darauf reagieren und neue Antworten geben. Mit der SPD verbindet sich das Engagement für bessere Wohnungen zu günstigen Mieten in neuen Siedlungen. Ziel war die „Lösung der Wohnungsfrage“ (F. Engels) für die Arbeiter und Angestellten der Industriegesellschaft. In den Jahrzehnten nach 1945 kam die Vorstellung hinzu, die Stadt autogerecht zu gestalten. Für diese Ziele wurden Altstädte und Gründerzeitquartiere abgerissen, um neue Siedlungen und ab 1960 Großsiedlungen zu bauen.
Für diese Formen des sozialen Massenwohnungsbaues bedurfte es zuvor der ‚Lösung der Bodenfrage‘, d. h. die Überführung privaten Grundbesitzes in kommunales Eigentum. Die besten gebauten Ergebnisse dieser Politik der 20er und 30er Jahre stehen unter Denkmalschutz. Die nach dem Leitbild ‚Urbanität durch Dichte‘ geplanten Großsiedlungen der 60er und 70er Jahre wurden dagegen schnell zum Gegenstand heftiger Kritik und sind heute soziale Brennpunkte oder sogar Gegenstand von mit öffentlichen Mitteln geförderten Abrissplanungen.
Das neue Leitbild für die postindustriell strukturierte Dienstleistungsgesellschaft orientiert sich am Bild und an der Struktur längst überwunden geglaubter Tradition der „europäischen Stadt“. Dazu gehört die Vorstellung von individueller Architektur in urbanen Stadtquartieren mit kleinteiliger Bebauung. Diese Tendenz ist nicht ganz neu, schon in den 80er Jahren ging es in vielen Städten um die Wiedergewinnung der „Innenstadt als Wohnort“.
Seit gut einem Jahrzehnt ist das zur herrschenden Tendenz geworden. Nach der Stadtflucht der Mittelschichten in die Einfamilienhausgebiete der Peripherie, dem Bau von monofunktionalen Großsiedlungen, Einkaufszentren und Möbelmärkten an den Ausfallstraßen dominiert nun der Wunsch zum Leben in der traditionellen Stadt. Was folgt aus diesen Wünschen ‚breiter Schichten der Bevölkerung‘? Zunächst gibt es kein Zurück zu den funktionalistischen Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus des 20. noch zu den Mietskasernen des 19. Jahrhunderts.
Die Individualisierung der Lebensstile erfordert neue architektonische Angebote vom Stadthaus über das Haus für Baugruppen und Genossenschaften bis zum Mietshaus. Da die Städte und der Bund für den Bau solcher Bürgerhäuser keine Fördermittel mehr bereitstellen, sollten sie ihre Grundstücke preisgünstig anbieten. Auch die „Bodenfrage“ braucht für die Realisierung der Wohnwünsche in der Stadt des 21. Jahrhunderts soziale Lösungen.
Hans Stimmann ist Architekt und Stadtplaner. Er war Senatsbaudirektor in Berlin und Autor des Buches „Stadthäuser – Abschied von der Wohnmaschine“.