Von Dietrich Jörn Weder
Dagegen könnte die EZB mit einer zu starken Kreditdrosselung unsere auf einem Grat wandernde Konjunktur zum Abrutschen bringen, wie Ökonomen befürchten. Mit der jetzigen vorsichtigen Anhebung
des Notenbankzinses um ein Viertel auf 4,25 Prozent mag sich freilich der Schaden noch in Grenzen halten.
In Deutschland hat die Teuerung in diesen Sommermonaten sogar den höchsten Stand seit fast 15 Jahren erklommen. Mit einer Jahresrate von zuletzt 3,3 Prozent frisst die Geldentwertung
bedauerlicher Weise den erstmals seit längerem erfreulich hohen Zuwachs der Arbeitsverdienste restlos auf. An dem beschleunigten Schritt der Lebenshaltungskosten haben die Löhne selber aber so gut
wie keine Schuld. Von einer Lohn-Preis-Spirale kann keine Rede sein. Wir haben es erstmals seit langem mit einer Verknappung elementarer Güter zu tun, der Güter, die aus Wald und Feld oder aus der
Tiefe der Erde stammen.
Dass sich das Fass Rohöl innerhalb eines Jahres im Preis auf um die 140 Dollar verdoppelt hat, weiß heute selbst das eine oder andere Schulkind. Viel weniger im Blick der Allgemeinheit ist
dagegen schon die Verteuerung von Eisenerz und Kokskohle, Grundstoffe, von denen unsere bislang glänzend florierende Stahlindustrie existentiell abhängt. Preiserhöhungen für Eisenerz um bis zu
einhundert Prozent haben die marktbeherrschenden drei größten Minenunternehmen ihren Abnehmern in jüngster Zeit aufgenötigt. Importierte Kraftwerkskohle hat sich im Preis innerhalb eines Jahres
verdoppelt, Kokskohle sogar vervierfacht. Wen wundert es da, wenn die spätestens für 2018 politisch angepeilte Schließung der letzten Steinkohlengrube in Deutschland von neuem in Frage gestellt
wird oder sogar an das Abteufen einer neuen Grube eigens für die Förderung von Kokskohle gedacht wird.
Geld verdienen mit Altpapier und Kali
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten fahren wieder Schrotthändler mit dem Ruf "Alteisen, Altmetall!" durch die Straßen und sogar auf Friedhöfen geht der Metallklau um. Altpapier ist ein so
begehrter Rohstoff geworden, dass einzelne private Händler in den neuen Bundesländern den Kommunen das einträglich gewordene Einsammel-Geschäft bei den Haushalten streitig zu machen versuchen.
Kali, ein unentbehrliches Düngemittel, wird weltweit so stark nachgefragt, dass sich der Aktienkurs des einzigen deutschen Grubenunternehmens, Kali und Salz, innerhalb eines Jahres
vervierfacht hat. Europas Bauern nehmen lange brachliegende Flächen wieder unter den Pflug, weil ihnen der Ertrag aus den Händen gerissen wird, gleich ob daraus Biotreibstoffe oder Nahrungsmittel
werden. Immer tiefer dringen südamerikanische Farmer mit dem Anbau von Soja in den brasilianischen Urwald oder die argentinische Pampa ein, um die Viehtröge in aller Welt mit nahrhaftem Eiweiß zu
füllen. Die Bewässerung von Feldern in Indien und China leert Flüsse und erschöpft Grundwasservorkommen. An vielen Stellen stößt die rasant zunehmende Weltbevölkerung mit ihrem wachsenden
Versorgungsbedarf an natürliche Grenzen, die vor kurzem noch fast niemand sehen wollte.
Umkehr der Globalisierung?
Die Ölpreis-Inflation verteuert unvermeidlich auch jeglichen Transport zu Lande, zu Wasser und in der Luft, und zwar so erheblich, dass Ökonomen bereits darüber nachdenken, ob dies nicht die
Globalisierung bremsen oder sogar umkehren könnte. Der Vorteil der kurzen Wege fällt plötzlich hier und da bereits wieder ins Gewicht. Manch einer, der weite Wege zu seinem Arbeitsplatz mit dem
Auto zurücklegen muss, könnte sich heute schon mit einem Umzug besser stellen.
Wie bietet man der neuen Teuerung Schach?
Sicherlich nicht, indem die EZB den Kredit verteuert. Die Lieferanten knapp gewordener Naturgüter, Gazprom oder die brasilianischen Sojabarone, wird dies nicht im Mindesten rühren. Den
Ursachen der Naturalienverteuerung muss man an die Wurzeln gehen. Aber wie sollten wir Deutschen dem neuen Mangelproblem zugleich nachhaltig und klimaverträglich begegnen?
Goldrichtig war und ist es, erneuerbare Energien zu fördern und zu nutzen. Viel wichtiger aber noch: Die größte Ölquelle Deutschlands ist der sparsame, effiziente Umgang mit Energie! Die
klima-unschädliche Verstromung unserer heimischen Braunkohle müsste unter den neuen Umständen sogar zu einem vorrangigen nationalen Entwicklungsziel werden.
Alles in allem sollten wir unser eigenes Naturreservoir, einschließlich der Fruchtbarkeit der Böden, wieder höher schätzen und sorgsamer nutzen. Dass unsere heimische Landwirtschaft unsere
Ernährung sicherstellt, dürfte sich in diesem Zusammenhang mehr und mehr als ein Vorzug erweisen. Und letztlich: Müssen wir den ausländischen Energielieferanten von diesen geschätzte deutsche
Erzeugnisse verkaufen, mit denen wir unsere Heiz- und Treibstoffkostenmöglichst weitgehend wieder zurückholen. Unsere Erfahrungen mit Russland und den Ölscheichs machen uns in dieser Hinsicht
Mut.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.