Inland

Ziel: Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und faire Steuerpolitik

von Karin Nink · 4. Mai 2014

Kaum von seiner Wahlkampagne in Polen zurück, zieht Martin Schulz, der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten für die Europawahl am 25.Mai, wieder in den nationalen Europa-Wahlkampf: In zwei Tagen standen Nordrhein-Westfalen, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein auf dem Programm.

Industriepolitik war der Schwerpunkt von Schulz’ Besuch in seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen. „Lange wurde erzählt, Europa sei das Ingenieurbüro der Welt. Das ist falsch. Ich will den Industriestandort Europa stärken“, sagte er. Dafür brauche es eine europäische Industriepolitik, „die sich auch zu den industriellen Produkten bekennt“. Ein Beispiel dafür fand Schulz in dem noch im Bau befindlichen Fernwärmekraftwerk Lausward in Düsseldorf. In Duisburg bei Thyssen-Krupp traf er auf Arbeiter aus Spanien, die von dem Konzern in ihrer Heimat nicht weiterbeschäftigt werden konnten, und nun im Ruhrgebiet ihr Geld verdienen. Im Gespräch mit drei der 55 Männern wurde deutlich: Leicht ist das nicht – besonders, wenn Familien betroffen sind. Aber es sei besser, als in der Heimat arbeitslos zu sein, betonten die Männer gegenüber Schulz.

Steuerbetrug und Steuervermeidung stoppen

Neben dem Bekenntnis zum „Industriestandort Europa“ stellte Schulz in seinen Reden in Dortmund, Bremen, Wismar und Kiel die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – besonders der junger Menschen – und eine gerechte Steuerpolitik in den Mittelpunkt. „Für mich ist die Krise erst dann vorbei, wenn die sechs Millionen jungen arbeitslosen Männer und Frauen alle wieder eine ordentliche Arbeit haben“, rief er in Wismar seinen Zuhörern zu.

Was eine faire Steuerpolitik angeht, will er nicht nur Steuerbetrug, sondern auch Steuervermeidung stoppen: „Steueroasen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union müssen geschlossen werden.“ Die genannten beiden Punkte stehen ganz oben auf der Prioritätenliste eines EU-Kommissionspräsident Martin Schulz. Und er ist sich sicher: „Ich habe mehr Erfahrung beim Bekämpfen von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung als Jean-Claude Junker“, jenem Spitzenkandidaten von Angela Merkel und den europäischen Konservativen, der sehr lange Ministerpräsident des Steuerparadieses Luxemburg war.

Im Hinblick auf internationalen Handel und Austausch machte Schulz – gerade an die wachsende Zahl der Kritiker eines Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) gerichtet – deutlich, dass es mit ihm keine Senkung europäischer Standards geben werde. Das gelte auch und gerade für den Datenschutz.

Wieder mehr lokale Verantwortung

Um Europa den Menschen wieder näher zu bringen und neues Vertrauen schaffen, plant Schulz, den Regulierungswahn aus Brüssel zu beschneiden. „Eine Aufgabe muss dort erfüllt werden, wo sie am effektivsten geleistet wird“, machte er seinen Zuhörern deutlich und plädierte für mehr Verantwortung der lokalen, regionalen und nationalen Ebenen. „Global denken, lokal handeln“, ist hier sein Motto. Schulz will den Menschen so die Sorge nehmen, „da sind anonyme Mächte am Werk, auf die ich keinen Einfluss habe.“

Jenen, die dieses Ohnmachtgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu ihren Zwecken missbrauchen, sagte Schulz den Kampf an. Europafeindliche Kräfte und Nazis haben seiner Meinung nach im Europäischen Parlament nichts zu suchen. „Ein Europa, in dem die Völker aus revisionistischen Gründen gegeneinander gehetzt werden, ist nicht mein Europa“, rief er den Menschen bei der Deutschland-Tour zu. Dabei hat Schulz auch den strafrechtlich verurteilten italienischen Politiker Berlusconi im Sinn: Dieser hatte Schulz und die Deutschen jüngst erneut mit den Worten verunglimpft, die Deutschen hätten die Existenz von Konzentrationslagern nie anerkannt. Berlusconis Wahlslogan „Mehr Italien, weniger Deutschland“ konterte Schulz mit „Mehr Europa, weniger Berlusconi“. Es dürfe „keinen Millimeter Spielraum geben, für die, die Völker weiter gegeneinander aufhetzen“, sagte Schulz und forderte alle auf, am 25. Mai zur Europawahl zu gehen. In Deutschland ist mit dem Wegfall der 3-Prozent-Hürde durch das Bundesverfassungsgericht die Gefahr gewachsen, dass radikale, nationalistische Parteien ins EU-Parlament einziehen.

Ukraine-Konflikt diplomatisch lösen

Ein großes Thema in Mecklenburg-Vorpommern war die Ukraine-Krise. Das Bundesland hat als Ostsee-Anrainer historisch gewachsene Verbindungen nach Russland. Allein in Wismar gibt es zwei große russische Unternehmen. Von Ministerpräsident Erwin Sellering und dem Bürgermeister von Wismar, Thomas Beyer, darauf angesprochen, machte Schulz unmissverständlich deutlich, dass er auf diplomatische Wege zur Beilegung des Konfliktes setzt. Es sei entscheidend, gemeinsame Interessen auszuloten, um eine Lösung zu finden. „Alle Gesprächskanäle müssen offen gehalten werden.“ Dieser Ansatz müsse „genauso stark diskutiert werden“ wie Sanktionen, die er aber auch nicht wirklich ausschließen wollte. In der Freilassung der OSZE-Beobachter am frühen Samstag sieht Schulz „ein erstes Hoffnungssignal“ für eine diplomatische Lösung.

Info:
Den Fünf-Punkte-Plan von Martin Schulz für eine sozialdemokratische Politik der EU-Kommission können Sie hier lesen.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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