Der Tag der Arbeit ist heute aktuell wie lange nicht mehr. Das neoliberale Denken, das die letzten 20 Jahre die Debatten bestimmte, beschert uns Folgen, die wir erst zu begreifen beginnen: ein explodierender und nach unten offener Niedriglohnsektor, die wachsende soziale Spaltung unserer Gesellschaft. Dabei ist nicht zu vergessen, dass das Thema soziale Ungleichheit auch ein gleichstellungspolitisches ist.
Insbesondere Frauen trafen die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre: Sie stellen heute zwei Drittel der Minijobber, sie dominieren mit knapp 70 Prozent den ausufernden Niedriglohnsektor, sie arbeiten häufiger in Teilzeit als noch 1992. Und wen mag es verwundern: Männer sind nicht nur vermögender als Frauen, seit 2002 hat sich diese Vermögensschere vergrößert. Eine Frau gilt eben immer noch als Zuverdienerin, das Haupteinkommen dagegen wird vom Mann erwirtschaftet - da genügt ja ein Minijob.
Gleiche Chancen für Frauen und Männer
Gleichzeitig bietet auch eine Flucht in das traditionelle Modell keine Sicherheit mehr. Fällt der Ernährer aus, aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsplatzverlust, so wird mit den Hartz-Regelungen die Frau zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet. Bei einer Scheidung wird die Frau bereits nach den ersten drei Lebensjahren des jüngsten Kindes in die Selbstverantwortung verwiesen.
In beiden Fällen wird die Frau heute schnell zur Familienernährerin. Und Studien zeigen: Die Zahl der Familien, die von Frauen ernährt werden, nimmt zu, und sie sind in der Regel deutlich ärmer. Denn aufgrund der niedrigen Löhne von Frauen ist der Weg in die Armut kurz - und Armut trifft dann oft ganze Familien.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen sind Forderungen nach guter Arbeit und gleichen Chancen Themen, die heute für beide Geschlechter und nicht wie so oft in der Vergangenheit nur für das
(männliche) Normalarbeitsverhältnis gedacht werden müssen. Eine moderne SPD muss deshalb für ein partnerschaftliches, egalitäres Modell eintreten, in dem beide Geschlechter zur eigenen
Existenzsicherung und der der Familie beitragen. Für eine Arbeitswelt, die Zeit lässt für Fürsorgearbeit - für beide Geschlechter. Das wird kein leichter Weg - aber das Rad lässt sich auch nicht
zurückdrehen. Ist es da nicht Zeit, zu handeln? Der 1. Mai 2011 wäre ein gutes Datum, um anzufangen - für gute Arbeit und gleiche Chancen für Frauen und Männer!
Melitta Kühnlein ist stellvertretende ASF-Vorsitzende in Berlin-Neukölln und hauptberuflich Leiterin
des Projektes "Familienernährerinnen" beim DGB-Bundesvorstand.
Ab 28. April 2011 startet eine Online-Diskussion zum Thema "Familienernährerinnen":
www.familienernaehrerin.de/diskussion