Gestern ist im brandenburgischen Neuruppin nach 17 Monaten der bislang
größte Prozess gegen die organisierte Kriminalität in Ostdeutschland zu Ende
gegangen. Der Chef der XY-Bande genannten Gruppe, der einstige
CDU-Stadtverordnete Olaf K. erhielt zwölf Jahre Haft wegen Handels mit Kokain,
illegalem Glücksspiel und Bestechung von staatlichen Bediensteten. Fünf
weitere Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen drei und neun Jahren, ein
Angeklagter wurde freigesprochen. Bereits zuvor waren zwei Bandenmitglieder
wegen Kokainhandels zu vier Jahren Haft verurteilt worden.
Während der Urteilsverkündung gab es unter dem mehrheitlich weiblichen
Publikum viele Unmutsäußerungen, Schluchzen und Kopfschütteln. Die
Angeklagten, die mit Siegelringen, einheitlichen XY-Kennzeichen auf ihren
Nobelfahrzeugen und einem gemeinsamen Wohnhaus nach innen und außen
als verschworene Gruppe auftraten, genossen anscheinend trotz oder gerade
wegen ihres Tuns viel Unterstützung. So gingen die Richter davon aus, dass die
Mehrheit der 24 000 Einwohner zählenden Kleinstadt lange vor der Verhaftung
von den Umtrieben der XY-Bande wusste. Denn obwohl Olaf K. und Kollegen
von 1997 bis zu ihrer Verhaftung im August 2004 "agierten", wurde ersterer noch
bei den Kommunalwahlen im Oktober 2003 ins Stadtparlament gewählt.
Wie weit diese Kumpanei auch im öffentlichen Bereich ging, wurde im Verlauf
des Prozesses offensichtlich: So verriet ihnen ein Polizist den Ermittlungsstand
und mögliche Razzien, im Rathaus sahen bestechliche Beamte bei
bedenklichen Genehmigungen weg und der Chef des Grundstückamts machte
seinen eigenen Kuhhandel.
Die Unterstützung der Bevölkerung erkaufte sich die aus Neuruppinern und
Menschen aus der Umgebung rekrutierte XY-Bande dadurch, dass sie ganze
Straßenzüge aufkaufte, die Häuser renovierte und den örtlichen Fußballverein
und soziale Jugendprojekte unterstützte - während sie gleichzeitig vor den
Schulen Kokain verkaufte.
Quellen: Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, 13. September 2006
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