Inland

XY aufgelöst

von Norbert Seeger · 13. September 2006

Gestern ist im brandenburgischen Neuruppin nach 17 Monaten der bislang

größte Prozess gegen die organisierte Kriminalität in Ostdeutschland zu Ende

gegangen. Der Chef der XY-Bande genannten Gruppe, der einstige

CDU-Stadtverordnete Olaf K. erhielt zwölf Jahre Haft wegen Handels mit Kokain,

illegalem Glücksspiel und Bestechung von staatlichen Bediensteten. Fünf

weitere Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen drei und neun Jahren, ein

Angeklagter wurde freigesprochen. Bereits zuvor waren zwei Bandenmitglieder

wegen Kokainhandels zu vier Jahren Haft verurteilt worden.

Während der Urteilsverkündung gab es unter dem mehrheitlich weiblichen

Publikum viele Unmutsäußerungen, Schluchzen und Kopfschütteln. Die

Angeklagten, die mit Siegelringen, einheitlichen XY-Kennzeichen auf ihren

Nobelfahrzeugen und einem gemeinsamen Wohnhaus nach innen und außen

als verschworene Gruppe auftraten, genossen anscheinend trotz oder gerade

wegen ihres Tuns viel Unterstützung. So gingen die Richter davon aus, dass die

Mehrheit der 24 000 Einwohner zählenden Kleinstadt lange vor der Verhaftung

von den Umtrieben der XY-Bande wusste. Denn obwohl Olaf K. und Kollegen

von 1997 bis zu ihrer Verhaftung im August 2004 "agierten", wurde ersterer noch

bei den Kommunalwahlen im Oktober 2003 ins Stadtparlament gewählt.

Wie weit diese Kumpanei auch im öffentlichen Bereich ging, wurde im Verlauf

des Prozesses offensichtlich: So verriet ihnen ein Polizist den Ermittlungsstand

und mögliche Razzien, im Rathaus sahen bestechliche Beamte bei

bedenklichen Genehmigungen weg und der Chef des Grundstückamts machte

seinen eigenen Kuhhandel.

Die Unterstützung der Bevölkerung erkaufte sich die aus Neuruppinern und

Menschen aus der Umgebung rekrutierte XY-Bande dadurch, dass sie ganze

Straßenzüge aufkaufte, die Häuser renovierte und den örtlichen Fußballverein

und soziale Jugendprojekte unterstützte - während sie gleichzeitig vor den

Schulen Kokain verkaufte.

Quellen: Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, 13. September 2006

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