Inland

Wie sich Merkel bei der „Ehe für alle“ um die Debatte drückt

Kommt die „Ehe für alle“? Auf Druck der SPD hat Kanzlerin Merkel einen Kurswechsel angedeutet. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Grundüberzeugungen der Union fallen lässt. Auf diese Weise drückt sie sich vor dem Wahlkampf und schadet der politischen Kultur. Ein Kommentar.
von Fabian Schweyher · 27. Juni 2017
Angela Merkel CDU
Angela Merkel CDU

Zwölf Jahre lang haben sich Angela Merkel und die CDU gegen die „Ehe für alle“ – also die vollständige Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare – gesperrt. Doch jetzt könnte es ganz schnell gehen. Die Bundeskanzlerin hat erstmals geäußert, dass es sich um eine „Gewissensfrage“ handle. Damit rückt eine überparteiliche Abstimmung ohne Fraktionszwang im Bundestag näher.

Merkels 180-Grad-Wendungen

Die SPD erhöhte daraufhin den Druck. Martin Schulz forderte einen Entscheid noch in dieser Woche. Es wäre erfreulich und überfällig, wenn die „Ehe für alle“ kommt. Gleichzeitig könnte in Merkels Andeutung ein Winkelzug stecken, mit dem sie sich wieder einmal dem politischen Diskurs entzieht und der politischen Kultur in diesem Land schadet.

Die „Ehe für alle“ droht für die Kanzlerin schließlich zu einem Wahlkampfthema zu werden, das der Union gefährlich werden könnte. Es wäre nicht das erste Mal, dass Merkel eine 180-Grad-Kurve einschlägt, mit der sie jetzt die „Ehe für alle“ möglich macht. Gleichwohl hatte sich die Union in der Vergangenheit eisern gegen eine Öffnung der Ehe gestellt, auch wenn es in der Gesellschaft längst einen Konsens dafür gibt.

Vor der Auseinandersetzung gedrückt

Wie der Atomausstieg und das Ende der Wehrpflicht gezeigt haben: Merkel lässt Grundüberzeugungen zu bundesweit relevanten Fragen kurzerhand fallen, wenn sie ihr schaden könnten. Dass es sich dabei um Kernpositionen handelt, die über Jahrzehnte mit der CDU nicht verhandelbar waren – geschenkt. Die Wählergunst und die Mehrheitsmeinung scheinen wichtiger zu sein.

Martin Schulz hat Recht, wenn er der Bundeskanzlerin vorwirft, die Wähler mit dieser Methode einschläfern zu wollen und sich vor dem Wahlkampf zu drücken. Genauso hat er Recht, dass die Union eine sinkende Wahlbeteiligung in Kauf nimmt. Schließlich rüttelt Merkels Politikstil am Kern einer lebendigen und diskussionsfreudigen Demokratie. Eine öffentliche Debatte gibt es nicht, auch nicht im Ringen um die Wählergunst.

Verwässertes Profil

Für was steht die Bundeskanzlerin? Eine Antwort fällt schwer. Sie steht für Unsichtbarkeit, für fehlende Impulse, für ein vages Gefühl, dass „Mutti“ Merkel es im Hintergrund schon regeln wird und der Bürger sich nicht mit Politik herumschlagen muss. Als Folge ist das Profil der CDU verwässert. Oder in den Worten, mit denen Merkel einst im Fernsehen für sich selbst warb: „Sie kennen mich.“ Drei Worte, die der demokratischen Kultur in Deutschland schaden.

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