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Wie realistisch wäre ein vorgezogener Kohleausstieg in Ostdeutschland?

Das Gesetz sieht einen Kohleausstieg im Jahr 2038 vor, die Grünen wollen aber schon 2030 raus aus der Kohle. Nun stellt „Fridays For Future” eine Studie vor, die selbst 2030 als zu spät erachtet. Wie realistisch wäre ein noch früherer Kohleausstieg?
von Sebastian Thomas · 11. Mai 2023
Soll noch früher stillstehen: Ein Schaufelradbagger im Tagebau Welzow in Südbrandenburg.
Soll noch früher stillstehen: Ein Schaufelradbagger im Tagebau Welzow in Südbrandenburg.

Auch im Osten früher aus der Kohle aussteigen: Die Grünen sind dafür. Brandenburg und Sachsen kritisieren die Pläne. Jetzt könnte neuer Wind in die Debatte kommen: Die Klimabewegung „Fridays for Future“ stellte unlängst eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Uni Flensburg vor.

Studie zeigt, dass der Kohleausstieg im Jahr 2030 nicht ausreicht

Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis: Ein vorgezogener Kohleausstieg in Ostdeutschland auf das Jahr 2030 wird nicht ausreichen, um das 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung aufzuhalten. Laut Medienberichten über die Studie, dürften in den Lausitzer Braunkohlerevieren noch maximal 205 Millionen Tonnen Kohlestoff emittiert werden. In der Folge müsse auf 50 bis 70 Prozent der Kohlefördermenge verzichtet werden.

Wissenschaftler Pao-Yu Oei von der Universität in Flensburg empfiehlt daher, die Kraftwerke ab 2024 jährlich um 25 Prozent zu drosseln – dies schütze auch die dortigen Arbeitsplätze. Der Wissenschaftler warnt: Würde man die Kohlebetreiber*innen weiter machen lassen, wie bisher, dann müsse man spätestens 2026 aus der Kohleverstromung aussteigen. Momentan befindet sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Rahmen seiner Deutschlandtour „Ortszeit“ in Senftenberg in der Lausitz in Südbrandenburg.

Mit Blick auf einen vorgezogenen Kohleausstieg sagte er gegenüber dem rbb, dass man einen Kohlekompromiss habe, der sehe den Ausstieg aus der Braunkohleförderung 2038 vor. „Dabei sollte es bleiben“, betonte er. Wie realistisch ein noch früheres Datum für den Kohleausstieg wäre, dazu fragte der „vorwärts“ in Brandenburgs Wirtschaftsministerium nach.

Noch früheres Datum würde völlig neue Bedingungen schaffen

„Mit dem Kohleausstieg ist nicht allein die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen verbunden“, heißt es hierzu aus der Pressestelle des Ministeriums. Vielmehr gelte es eine ganze Region - die Lausitz - und einen Naturhaushalt an die sich daraus neu ergebenen Bedingungen anzupassen. „Ein Kohleausstieg bis 2030 oder gar bis 2026 würde vollständig neue Rahmenbedingungen schaffen, für die neue Planungen vorzunehmen wären.“

Mit einem früheren Datum würden die Anforderungen an die Neugestaltung des Wasserhaushaltes in der Lausitz erheblich verschärft. „Ein solcher Zeitplan erscheint daher fragwürdig“, schreibt die Pressestelle weiter. Auch an dieser Stelle wird auf die geltende Gesetzeslage verwiesen: Für das Land Brandenburg zähle das Ergebnis der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“.

Das damit verbundene Gesetz zum Kohleausstieg stelle die verbindliche Regelungsgrundlage dar. Weiterhin müssten die vom Bergbau beanspruchten Flächen rekultiviert und das Wassermanagement angepasst werden. Dabei orientiere sich dieser Prozess auf das erwähnte Gesetz zum Kohleausstieg und sei somit auf das „Jahr 2038 ausgerichtet“.

Menschen im Osten benötigen verlässliche Arbeitsplätze

Die Pressestelle verweist auf das Umweltbundesamt, was „demnächst ein Gutachten zu den ‚wasserwirtschaftlichen Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz‘“ vorlegt. Dabei werde erwartet, dass selbst ein Ausstieg im Jahr 2038 erhebliche Anforderungen an die Anpassung des Wassermanagements in der Lausitz stelle.

Die Studie wurde präsentiert von der Klimaaktivistin Luisa Neubauer zusammen mit weiteren Mitstreiter*innen. Dabei sagte Neubauer, dass die Menschen in Ostdeutschland in der Vergangenheit zwar schlechte Erfahrungen mit Strukturwandel gemacht hätten, doch dass dies keine Ausrede sein könne, um den Debatten auszuweichen. Die Antwort der Pressestelle mit Blick auf das Statement der Klimaaktivistin zeigt, dass das Land Brandenburg einen anderen Strukturwandel vollziehen möchte, als das, was die Menschen in Ostdeutschland nach dem Zusammenbruch der DDR erlebt haben: „Die Landesregierung Brandenburgs sieht in einem gelungenen Strukturwandel große Chancen – und eine große Bedeutung.“

„Die Region brauche wirtschaftliche Perspektiven, die Menschen vor Ort benötigen verlässliche Arbeitsplätze und ein lebenswertes Umfeld.“ Die Menschen müssten das sichere Gefühl haben, ein gutes Leben in der Lausitz aufbauen und leben zu können. „Genau dort setzt der Strukturwandel an.“

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