Das ist eine ungewöhnliche Biografie. Nicht wegen der beeindruckenden Karriere vom Maurersohn zum Ministerpräsidenten, zum Parteivorsitzenden und Fast-Kanzlerkandidaten. Das Normale wird man in einer Biografie schwerlich lesen. Unüblich ist sie, weil der Bruch mitten ins Buch einschlug und damit alles was drinsteht, ein neues Licht rückte. Am 8. September sollte der Druck beginnen. "Kurt Beck. Ein Sozialdemokrat." sollte vor allem von seinem Lebensweg erzählen, seinem Stil, Politik zu machen und warum es lohnt, sich für die Sozialdemokratie einzusetzen. Am Sonntag, den 7. September, trat der Autor des Buches von seinem Amt als SPD-Parteivorsitzender zurück. Und setzte sich nochmal dran. So steht das Aktuelle nun am Anfang. War es ein Putsch? "Das ist überhaupt kein bitterer Blick zurück", stellte Kurt Beck gleich zu Anfang der Vorstellung seines Buches in Berlin fest. Auch dieser Termin einer mit Haken und Hürden: Statt wie ursprünglich geplant im Willy-Brandt-Haus mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder fand das Ereignis nun in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung mit dem Fernsehmoderator und Ex-Chefredakteur des "Stern" Heiner Bremer statt. Wollte er Schröder nicht oder wollte Schröder nicht, fragt Bremer. "Weder noch," antwortet Beck, aber er habe es in der Situation für angemessener gehalten, einen Journalisten zu bitten. War es ein Putsch, will Bremer wissen. "Das war nie mein Eindruck", kontert Beck. Aus seinen Differenzen mit Franz Müntefering allerdings macht er keinen Hehl, weder im Gespräch, noch im Buch. "Wir haben hart gerungen, ob man zur Agenda eine menschliche Abfederung hinzufügen darf, oder ob man damit einen Erosionsprozess der Agenda auslöst, den niemand mehr aufhalten kann. Das war die Ansicht von Franz Müntefering." Aber er sagt auch: "Ich habe sehr respektvolle Empfindungen gegenüber Franz Müntefering." Ob er etwas damit anfangen könne, dass ihm eine linke Abkehr von der Reformpolitik nachgesagt werde, fragt Bremer. "Es verstößt gegen das Gerechtigkeitsempfinden, wenn jemand, der 40 Jahre gearbeitet hat, behandelt wird wie jemand, der sich entschieden hat, sein Leben Balalaika lang zu spielen," sagt Beck. Politik müsse die Lebenswirklichkeit von Menschen einbeziehen. Wenn das links sei, sei er ein Linker. Hier spricht einer, der bei sich ist. Der zudem bereit ist, Fehler zuzugeben, wie den, als er vor der Hamburg-Wahl über den geplanten Kursschwenk gegenüber der Linkspartei mit Journalisten plauderte. Die Veränderung in der Strategie - statt Ausgrenzung die Öffnung in Richtung Linke - halte er nach wie vor für richtig, sagt Beck. Dass der Zeitpunkt der Verkündung ein Fehler war, gibt er offen zu, und dass damit die Kanzlerkandidatur futsch war: "Das wäre nach diesem Fehler nicht mehr gegangen." Als Parteivorsitzender habe er sich allerdings nicht so einfach aus dem "Rennen schießen lassen wollen". Da habe sich sein Kampfgeist geregt. Zumal er so erzogen worden sei: "Was man begonnen hat, das bringt man auch zu Ende." "Ich wusste, es würde hammerhart werden" Kurt Beck übernahm den SPD-Parteivorsitz in einer schwierigen Zeit. Matthias Platzeck war nach wenigen Monaten im Amt im April 2006 zurückgetreten. Beck hatte bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz gerade in Rheinland-Pfalz die absolute Mehrheit errungen und galt als Retter in der Not. "Ich hatte mich nicht danach gedrängt", schreibt er in seinem Buch, und man glaubt es ihm. Dass es "hammerhart" werden würde, habe er gewusst. "Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass ein solch öffentliches Mobbing möglich ist, wie ich es dann monatelang erfahren musste." Den Ärger über die "Büchsenspanner", man spürt ihn auch im Buch immer wieder. Aber Beck will nicht nachtreten. Wer das in seinem Buch sucht, sucht vergebens. Gegensätze hingegen spricht er offen an, wie den zu Franz Müntefering: "Unser Politikstil, die Art, Machfragen zu klären, sind schwer vereinbar." Aber das wundert alle diejenigen wenig, die beide kennen. Auch an Finanzminister und SPD-Vize Peer Steinbrück, keine Liebeserklärung: "Wer klare Kanten hat, an dem stößt man sich manchmal, aber weiß auch, woran man ist." Und über Andrea Nahles heißt es: "Wir haben konstruktiv zusammengearbeitet." Allein Frank-Walter Steinmeier attestiert er einen "auch persönlich guten Draht". Politik ein Haifischbecken? Ganz falsch ist das nicht. Ohne Verbündete geht es jedenfalls nicht. Von denen hätte sich Beck sich mehr gewünscht, wie er unumwunden zugibt. Weiterkämpfen für die sozialdemokratische Idee will er trotz der harten Erfahrungen der vergangenen Monate. Diese Idee formuliert er so und ist damit sicher auch ganz nah bei den Menschen: "Wir brauchen ökonomischen Erfolg, um frei von Not zu sein. Doch wir brauchen auch Familie, Muße, Heimat, privates Glück Bildung, Respekt und Anerkennung. Politik ist dazuda, das alles zu ermöglichen, die Voraussetzungen für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zu schaffen und zu erhalten." Kurt Beck, Ein Sozialdemokrat. Die Autobiografie, Pendo Verlag, München 2008, 260 Seiten, 19.90 Euro, ISBN 978-3-86612-204-8
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