Ob es um Fleisch, eine Lebensversicherung oder den Handyvertrag geht: Peer Steinbrück forderte beim Verbrauchertag eine Stärkung der Konsumentenrechte.
„Der Markt hat den Menschen zu dienen, nicht umgekehrt.“ Deutliche Worte wählte Peer Steinbrück beim Deutschen Verbrauchertag in Berlin. Vor rund 500 Besuchern und auf Einladung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) sprach der SPD-Kanzlerkandidat über notwendige Änderungen im Verbraucherschutz, insbesondere im Bereich der Banken und Versicherungen. Steinbrück kritisierte, dass bislang vor allem auf eine Selbstverpflichtung der Anbieter sowie den „mündigen Verbraucher“ gesetzt würde. Doch den gebe es gar nicht. Denn „um heute ein mündiger Verbraucher zu sein, müsste man Chemie und BWL studiert und einen Buchhaltungskurs absolviert haben, um die Angaben zu Inhaltsstoffen, die AGB´s und Vertragsklauseln überhaupt zu verstehen“, so Steinbrück. „Einen Job oder Kinder sollte man auch nicht haben, sonst fehlt die Zeit, sich sorgfältig zu informieren.“
60 Tage AGBs lesen
Vzbv-Vorstand Gerd Billen rechnete vor, dass ein Bundesbürger 60 Tage im Jahr aufwenden müsste, um sämtliche Verträge und allgemeinen Geschäftsbedingungen für Käufe und Verträge die er tätigt, sorgfältig durchzulesen.
Die Mehrzahl der Verbraucher hätte lieber weniger Produkte zur Auswahl, um diese dann besser miteinander vergleichen zu können. Das hat eine vom vzbv beauftragte infas-Studie ergeben. In den Bereichen Lebensmittel und Energieversorgung lag der Wert bei 61 Prozent, bei Finanzprodukten sogar bei 66 Prozent. Das Banken- und Versicherungswesen ist zugleich der Bereich, in dem die Bürger am stärksten verunsichert sind: 62 Prozent der Befragten der repräsentativen Studie sahen „sehr große Missstände“. Zum Vergleich: Im Bereich Gebrauchsgüter, wozu etwa Waschmaschinen zählen, sind es nur 46 Prozent.
Angesichts dieser großen Unsicherheit und der bevorstehenden Bundestagswahl sagte Billen in Richtung Politik: „Sie haben riesige Chancen, sich in der Verbraucherpolitik zu profilieren.“ Und: „Unsere Zeit am politischen Katzentisch ist endgültig vorbei.“
Da hätten die Verbraucher nie gesessen, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dennoch viel der Applaus zu Ihrer Rede beim Verbrauchertag eher schwach aus. Zwar übernahm sie beim Thema Wohnen eine SPD-Position, indem sie sich für die Mietpreisbremse aussprach, das bedeutet, die Deckelung von Mieten bei Neuvermietung. Peer Steinbrück blieb skeptisch, denn erst in diesem Mai ist die Mietrechtsreform in Kraft getreten – und zwar ohne Mietpreisbremse, weil Schwarz-Gelb den Vorschlag ablehnte.
Marktwächter als Kontrollinstanz
Ablehnend zeigten sich Merkel sowie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe auch hinsichtlich stärkerer Kontrollen im Finanzwesen. Die Instrumente der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) reichen aus Sicht der Bundesregierung aus.
Peer Steinbrück bekräftigte hingegen die Pläne der SPD, Marktwächter einzuführen, eine Kontrollinstanz, die bei den Verbraucherzentralen angesiedelt sein sollten. Steinbrück betonte, dass diese aber nicht nur Missstände aufnehmen, sondern auch mit Kompetenzen ausgestattet werden sollten.
Dies geht einher mit den Forderungen der vzbv, Wächter in den Bereichen Finanzen, Energie, Gesundheit und Telekommunikation einzuführen.
Gast beim Verbrauchertag war auch Brigitte Zypries, ehemalige Bundes-Justizministerin und in Steinbrücks Kompetenzteam zuständig für Verbraucherschutz. Steinbrück betonte die Bedeutung der Personalie, da es beim Verbraucherschutz auch darum gehe, Änderungen rechtlich umzusetzen. Der Kanzlerkandidat kündigte auch an, den Verbraucherschutz künftig als Ressort neu aufzustellen, da es längst nicht mehr nur um Lebensmittel gehe: „Beim Landwirtschaftsministerium ist der Verbraucherschutz nicht so ideal aufgehoben.“