Inland

„Wasser und Rendite passen nicht zueinander“

von Kai Doering · 20. März 2013

Wasser gehört in öffentliche Hand und nicht in private, sagt Aktivistin Gerlinde Schermer. Zum Weltwassertag am Freitag ruft sie zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor auf. Mit vorwärts.de sprach sie über das Handeln der EU, die Situation in Berlin – und lobte, dass die SPD die öffentliche Wasserversorgung in ihr Regierungsprogramm schreibt.

vorwärts.de: Am Freitag ist Weltwassertag. Ein Grund zum Feiern?

Gerlinde Schermer: Teils teils. Wir – Aktivisten vom Berliner Wassertisch und anderen Bürgerinitiativen und NGOs, Gewerkschaften, Menschen aus Berlin und aus anderen Teilen der Erde – kommen an diesem Tag zusammen, um unsere große Besorgnis über den Umgang mit Wasser durch Politik und Wirtschaft zum Ausdruck zu bringen. Nicht zufällig haben in Deutschland bereits über eine Million Menschen das europäische Bürgerbegehren „Wasser ist Menschenrecht“ unterzeichnet. Die gewachsene Kampfeslust ist also tatsächlich ein Grund zum Feiern. Das stärkt den Gemeinsinn, denn es gibt unendlich viel zu tun in Sachen Wasser.

Seit Jahren setzen Sie sich für eine Wasserversorgung in öffentlicher Hand ein. Warum ist das so wichtig?

Wasser – das ist Leben. Wer unsere Lebensgrundlagen dem Renditestreben ausliefert, der will auch keine Gesellschaft mit den Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Nirgendwo verstehen das die Menschen schneller und besser, als beim Thema Wasser. Wasser und Rendite passen nicht zueinander. Und deshalb kämpfe ich dagegen an, dass Wasser – dieses lebenswichtige Gut – ein Konsumgut wie jedes andere werden soll. Um nichts weniger als diese fundamentale Weichenstellung geht es bei der von der EU-Kommission vorgeschlagenen neuen Konzessions-Richtlinie, die die Menschen auf die Barrikaden treibt.

Sie sprechen es an: EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier schlägt zurzeit viel Ärger entgegen, weil er die Wasserversorgung in Städten europaweit ausschreiben möchte. Was ist das Problem daran?

Die EU-Kommission will ihren neoliberalen Kurs in der Wasserversorgung mit einer Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung von Konzessionen durchsetzen. Von den neuen Regeln aus Brüssel sollen nur diejenigen Kommunen ausgenommen werden, die ihre Wasserversorgung noch komplett in öffentlicher Hand haben. In der Vergangenheit hat aber gerade die EU-Kommission die Städte und Kommunen aufgefordert, Private an der Wasserversorgung zu beteiligen. Dem sind viele Städte, auch in Deutschland, aufgrund finanzieller Engpässe gefolgt. Mittels politisch erzeugter Finanznot und „Schuldenbremse“ wurden die Kommunen zum Anteilsverkauf öffentlicher Unternehmen bzw. zu Verträgen nach dem Public-Private-Partnership-Modell gezwungen. Genau das kann diesen Kommunen nun zum Verhängnis werden. Fatal an der im Februar bereits im Binnenmarktausschuss beschlossenen Version des Richtlinienentwurfs ist Folgendes: Da in Deutschland inzwischen die Mehrheit der etwa 900 Stadtwerke private Partner haben, stehen diese Stadtwerke unter dem Damoklesschwert der Vollprivatisierung. Denn am Ende der Laufzeit der aktuell vergebenen Konzession hätten sie aufgrund der neuen EU-Richtlinie nicht mehr das Anrecht auf eine automatische Verlängerung. Die Konzession müsste dann vielmehr in Gänze EU-weit neu ausgeschrieben werden. Und da es keine geteilten Konzessionen gibt, müssten also nicht nur um die 24,9 Prozent oder 49,9 Prozent, mit denen die privaten Unternehmen bisher an den Stadtwerken beteiligt waren, neu ausgeschrieben werden, sondern die Konzession käme als Ganzes auf den Markt. Mit den Dumping-Angeboten, die die kapitalkräftigen privaten Großunternehmen dann vorübergehend einsetzen können, kann kein kommunaler Betrieb konkurrieren. Für private Investoren ist das Vorhaben durchaus lukrativ: Auf eine dreistellige Milliardenhöhe schätzen Analysten das Potenzial des Wassermarktes in der EU. Deshalb sind die Lobbyisten in Brüssel so aktiv. Sie haben das Geld – wir haben unsere Stimme! EU Kommissar Barnier hat nun seinerseits wegen der anhaltenden Proteste aus Deutschland vage Versprechen gemacht, denen aber nicht zu trauen ist. Gespräche wird es vorerst nur auf europäischer Ebene geben. Die Vertretung deutscher Interessen in diesen Verhandlungen liegt also im Moment in den Händen der Bundesregierung und der deutschen Abgeordneten des Europaparlaments.

In Berlin ist eine entgegensetze Entwicklung zu beobachten. Hier wird sich aller Voraussicht nach auch der letzte private Betreiber aus der Wasserversorgung zurückziehen. Wird in der Hauptstadt alles gut?

Noch ist Veolia mit 24,95 Prozent am Berliner Wasser beteiligt und bestimmt über Investitionen und Wasserpreise. Veolia tanzt Senat und Parlament mit dem PPP-Vertrag auf der Nase herum. Die weltweite  Geschäftsstrategie von Veolia ist es, sich durch langfristige, mindestens 30 Jahres Public-Private-Partnership-Verträge mit Renditegarantie in die jeweiligen natürlichen Wasser-Monopole einzuschleichen bzw. einzukaufen, um so, vom turbulenten Marktgeschehen unabhängig, plan- und regelmäßig hohe Renditen mit einem Gut des Daseinsvorsorge einzufahren, von dem alle Menschen abhängig sind. Es geht Veolia nicht ums Wasser, sondern um Rendite. Da sind sie sehr erfolgreich. Aber warum sollen die Berliner oder gar die EU Bürger dafür sein? Wir wollen, dass Veolia aus dem Berliner Wasser verschwindet. Wasser ist ein Kernbereich der Daseinsvorsorge und gehört vollständig unter öffentliche Kontrolle, deshalb sagen wir am Weltwassertag laut: Veolia adieu!

Die Teilnehmer des Bürger-Konvents der SPD haben als einen von elf Punkten ein Verbot der Wasserprivatisierung in den Entwurf des Regierungsprogramms geschrieben. Wie bewertest Du das?

Das ist einfach großartig. Nach zwanzig Jahren vorherrschender Marktrhetorik, die an die Stelle kommunalen oder staatlichen politischen Aushandelns die scheinbar neutralen gleichsam „unbestechlichen“ Mechanismen des Marktes treten ließen, nach der erlebten Praxis öffentliche Güter zu privatisieren, haben die Menschen im Land gemerkt, was es bedeutet, die Bereiche der Daseinsvorsorge an Private auszuliefern. Sie setzen beim Wasser beispielhaft ein deutliches Stoppzeichen. Die SPD tut gut daran, auf sie zu hören und den Kampf gegen die Wasserprivatisierung in das Wahlprogramm der SPD aufzunehmen. Ich erwarte ein deutliches Zeichen und kein Kleinklein. Der  Ruf „Wasser ist Menschenrecht“ muss, nachdem er bei der deutschen Bevölkerung so viel Bewegung erzeugt hat, jetzt in der Politik umgesetzt werden. Rendite hat im Wasser nicht zu suchen, nicht in Deutschland und auch nicht anderswo. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.

Für Freitag rufen Gerlinde Schermer und der Berliner Wassertisch zu einer Kundgebung anlässlich des Weltwassertags vor dem Brandenburger Tor auf. Beginn ist um elf Uhr.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare